Die Folge: Die Leistungsfähigkeit von ETCS-Zügen kann sich deswegen sogar deutlich verringern – das zeigt sich in der Schweiz, wo Lokführer von zehn bis 14 Prozent Kapazitätsverlusten sprechen (Kontext <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft digitale-wundertuete-5468.html _blank internal-link-new-window>berichtete). Im Stuttgarter Tiefbahnhof wird sie also wegen der besonderen Bedingungen dort sogar noch dramatischer abnehmen – das ist schon jetzt absehbar. Denn dort sind auf den Gleisen oft Doppelbelegungen vorgesehen, dort schleichen dann die Züge statt mit 40 Stundenkilometern Geschwindigkeit bloß mit maximal 20 km/h auf den Bahnsteig, schneller dürfen sie nicht sein. Es ist sogar wahrscheinlich, aber das würde erst die Praxis zeigen, dass die ETCS-Züge wegen der hypergefährlichen <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik der-schiefbahnhof-398.html _blank internal-link-new-window>Schiefneigung des Bahnhofs, noch einmal deutlich langsamer an die Bahnsteige herankriechen. Eine effiziente Fahrplangestaltung wird damit unmöglich. Eine weitere Folge: Es wird, technisch bedingt, ständig Staus und Verspätungen in den Tunneln unterhalb von Stuttgart geben.
Vor der Volksabstimmung gab es (abgesehen von diesem Kostendeckel in Höhe von 4,5 Milliarden Euro, der, versprochen, nie gesprengt werde) ganz große Versprechungen: S 21 werde zwar nicht 50 oder 100 Prozent, wie lange versprochen, aber doch, auf jeden Fall, 30 Prozent mehr Leistung haben als der alte Bahnhof! Und weil die Bürger der Bahn und ihren Politikern vertrauten, stimmten sie dem umstrittenen Projekt zu.
Bestenfalls 29 Züge pro Stunde im Tiefbahnhof?
Tatsächlich ist der Stuttgarter Tiefbahnhof, so der Diplom-Physiker Christoph Engelhardt, Gründer des Faktencheck-Portals Wikireal , auf eine Kapazität von maximal 32 Zügen angelegt – wenn er und die Zulauftunnel mit konventioneller Signaltechnik ausgerüstet sind. S 21 könnte also nicht einmal das heutige Verkehrsaufkommen bewältigen.
Aber nun wird alles noch viel ungeheuerlicher. S 21 wird wohl nur mit ETCS ausgestattet – wie es mein Informant vor neun Jahren angekündigt hatte. S 21 wird also, da diese moderne Technik das Ein- und Ausfahren in den Bahnhof dramatisch verlangsamt, was, siehe Schweiz, mindestens 10 Prozent Kapazität kostet, im besten Fall 29 Züge bewältigen können. Mehr ist nicht drin, auch in Zukunft nicht. S 21 ist somit ein illegaler Rückbau der Verkehrsstruktur – und das in einer boomenden Wirtschaftsregion!
All die Anhörungen am Runden Tisch, der Stresstest, das Diskutieren mit den Kritikern – alles nur zynisches Geplänkel. Alles Makulatur, was in den vergangenen Jahren Politik und Bahn über S 21 gesagt haben. Ein ganzes Land wurde und wird kaltschnäuzig vorgeführt.
Diese Chuzpe – unfassbar.
Wie lange wollen die in Stuttgart herrschenden Grünen dieses üble Spiel noch weiter mitspielen?
Der alte, schon ziemlich demolierte Kopfbahnhof ist für das Morgen bestens gerüstet: Er schafft derzeit locker 40 Züge pro Stunde, und er hat immense Kapazitätsreserven (Kontext <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik reise-nach-absurdistan-3990.html _blank internal-link-new-window>berichtete): Er würde problemlos noch viel mehr Züge schaffen, weit über 50, für ihn wäre das kein Problem.
Das Alte ist die Öko-Antwort auf das Neue. S 21 hingegen konterkariert die Versprechungen von Politik und Bahn, in den kommenden Jahren 50 Prozent mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. S 21 zwingt die Menschen in die Autos.
8,2 Milliarden, mindestens, für einen Bahnhof, der unter ökologischen Gesichtspunkten ein Sündenfall ist. 8,2 Milliarden, mindestens, für einen Bahnhof, der die Reisenden tagtäglich verärgern wird.
"Wir können alles. Außer Hochdeutsch", heißt es auf der Homepage des Landes-Baden-Württemberg. Schön wär's. Die Schwaben können, sie versuchen es zumindest sturheil, mit vielen Milliarden Euro, den größten anzunehmenden Unfug bauen.
"S 21 ist aus meiner Sicht", ließ mich vergangenen Sonntag ein Gutachter für Signaltechnik wissen, "das goldene Begräbnis der Bahn. Golden wegen der zu erwartenden Kosten von 8,2 Milliarden Euro, wenn nicht noch viel mehr. Ein Begräbnis zunächst im wahrsten Sinne des Wortes: unter die Erde. Aber auch ein Begräbnis im übertragenen Sinne: das Begräbnis der Eisenbahn als Verkehrsträger im Raum Stuttgart."
25 Kommentare verfügbar
Flow Lepuav
am 10.11.2019Deutschland WAR einmal das Land der Dichter und Denker mit ausgezeichneter Ingenieurkunst. Das war einmal, lang ist es her!
Zu dumm um Untergrundbahnhöfe und Flughäfen zu…