Dass Stuttgart 21 tatsächlich auf eine Spitzenkapazität von nur 32 Zügen pro Stunde ausgelegt sei und daher sogar einen Leistungsrückbau darstelle, behauptet seit 2011 der Diplom-Physiker Christoph Engelhardt, Gründer des Faktencheck-Portals Wikireal. Dessen Aussagen werden zwar regelmäßig von S-21-Befürwortern als haltlos abgetan, aber hey, welch ein Zufall, dass genau diese Kapazität selbst von den Projektbetreibern ursprünglich als Planungsgrundlage genommen wurde – und im Grunde immer noch gilt. Steht nämlich im Planfeststellungsbeschluss für den Tiefbahnhof von 2005: "Daher reicht (...) eine solche Anlage für (...) Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen je Stunde aus".
Vorsicht, nun erreichen wir ungeahnte Höhen der Absurdität. Denn eine Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, mit der Begründung, dass bei S 21 ein Kapazitätsrückbau vorliege, wird 2014 vom VGH mit Verweis auf ein Urteil von 2006 abgeschmettert: Die "Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofes" von "32 Zügen" sei "stets bekannt" gewesen, daher gebe es auch keinen neuen Stand. Der Leistungsrückbau ist also sozusagen gerichtlich bestätigt. Absurder geht es kaum.
Fun Fact: Die Personenstromanalyse, die dem <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik viel-rauch-um-brandschutz-3986.html internal-link-new-window>viel kritisierten Brandschutzkonzept für den Tiefbahnhof zugrunde liegt, geht von 30 Zügen pro Stunde aus. Ganz egal, was man von dem Konzept hält: Eine höhere Kapazität brächte den Brandschutz noch mehr in die Bredouille.
Wie sagte doch Manfred Rommel bereits 1995 zukunftsweisend: "In der Politik kommt es gar nicht so selten vor, dass sich jemand im Namen des Fortschritts vom Möglichen ab- und dem Unmöglichen zuwendet." Das Unmögliche möglich zu machen - daran arbeitet die Bahn immer noch.
Die sagenumwobene Wirtschaftlichkeit
In den ersten Jahren nach Projektvorstellung 1994 wurde immer wieder allen Ernstes behauptet, der neue Bahnhof koste Stadt und Land so gut wie nichts, weil er fast vollständig durch den Verkauf der frei werdenden Gleisflächen finanziert werde. Zu einem solchen Angebot kann der Schwabe als solcher natürlich nicht nein sagen.
Das war schon damals nicht richtig, man ging am Anfang von aus heutiger Sicht überschaubaren Kosten von umgerechnet rund 2,6 Milliarden Euro aus. Dass die Finanzierung zum Problem werden könnte, zeigte sich bereits 1999: Wegen der hohen Kosten legte der damalige Bahnchef Johannes Ludewig das Projekt auf Eis.
Dessen Nachfolger Hartmut Mehdorn hätte S 21 wohl nicht wieder aufgetaut, wenn Land und Stadt nicht einiges zugeschossen hätten. So kauft die Stadt Stuttgart 2001 der Bahn für 459 Millionen Euro die Gleisflächen ab, die erst nach Fertigstellung des Projekts nutzbar sind.
17 Kommentare verfügbar
dämon
am 01.12.2016Denn mittlerweile wird es richtig peinlich für die Bahn, wenn es zwar Genehmigungen für den Bau gibt, dieser aber nicht durchgeführt werden könn, weil es massive Probleme z. B. beim Tunnelbau mit Anhydrit gibt.
Vom Loch im Schlossgarten…