Der BRH-Bericht widmet sich ausführlich den Bundesmitteln für die Schieneninfrastruktur, die in dem Sammeltopf mit der Bezeichnung "Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung" – kurz LuFV – zusammengefasst sind. Dies ist deshalb interessant und weitgehend neu, weil der BRH ausführlich darlegt, dass dieser gewaltige Topf von jährlich rund vier Milliarden Euro fast komplett unter Kontrolle der Deutschen Bahn AG steht und die Ausgaben, die damit im Schienennetz getätigt werden, seitens des Bundes nicht wirksam kontrolliert würden. Der BRH hat dieses Thema bereits mehrfach – auch außerhalb des Themenbereichs S 21 – angesprochen und entsprechend kritisiert. Die LuFV ist hier deshalb wichtig, weil laut BRH "die Bahn aus unternehmerischen Gründen ein starkes Interesse [hat], Mehrausgaben [bei S 21] möglichst nicht mit eigenen Mitteln zu finanzieren". Die "Kontrolldefizite" bei der LuFV würden "Anreize bieten", die "Mehrkosten des Projekts Stuttgart 21 über die pauschalen Bundeszuschüsse der LuFV zu finanzieren".
Faktisch erklärt der BRH damit, es bestehe der begründete Verdacht, dass es eine solche heimliche Kofinanzierung längst gibt. Indem der BRH in seinem Bericht mehrfach dokumentiert, wie das Bundesverkehrsministerium (BMVI) sich hartnäckig weigert, diese "Kontrolldefizite" im Allgemeinen abzuschaffen und die LuFV-Mittel, die S 21 zufließen, im Besonderen transparent zu gestalten, wird dieser Verdacht nochmals fett und rot unterstrichen.
Das ist eine echte Klatsche: Der im Grundgesetz Art. 114 verankerte und unabhängige, also keinem Ministerium unterstellte Bundesrechnungshof unterstellt eine heimliche und bewusst verheimlichte Querfinanzierung von Stuttgart 21 aus Bundesmitteln. Was mit deutlichen Konsequenzen für das gesamte Schienennetz verbunden sei: Denn "damit würden LuFV-Mittel für Ersatzinvestitionen im Bestandsnetz der Schienenwege des Bundes fehlen". Was ja eigentlich den baden-württembergischen Verkehrsminister interessieren sollte. Warum bloß wird der Bau der Südbahn Ulm–Friedrichshafen–Lindau immer noch nicht konkret angegangen?
Von wegen "eigenwirtschaftlich"
Ein zweiter Aspekt im BRH-Bericht betrifft den Charakter von Stuttgart 21. Der BRH setzt sich wiederholt mit der Behauptung auseinander, Stuttgart 21 sei keine Bundesangelegenheit, sei ein "eigenwirtschaftliches Projekt" der Deutschen Bahn AG. Der BRH widerspricht dieser Position insbesondere hinsichtlich der darauf aufbauenden Argumentation, der Bund habe damit keine Kontrollaufgabe bei S 21. Verwiesen wird darauf, dass der Bund "Alleinaktionär" und "alleiniger Eigentümer" der DB AG sei, dass die Bundesmittel, die in S 21 fließen, eben nicht minoritär und nicht zu vernachlässigen seien. Vor allem aber stellt der BRH klar, dass Stuttgart 21, wenn der Kellerbahnhof denn gebaut sein würde, "Teil der Schienenwege des Bundes" sei, was wiederum in der Verfassung (GG Artikel 87e) festgelegt sei. Damit habe die Art und Weise, wie da gebuddelt werde, unmittelbare Auswirkungen auf den Bund selbst.
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Normalbürger
am 26.09.2016hatte übrigens erst vor wenigen Tagen, anlässlich des Berichts des Bundesrechnungshofs, dem heute journal gegenüber vor laufender Kamera (sinngemäß) erklärt, der Bund werde "klipp und klar keinen Euro an die Bahn bezahlen". Ohne rot zu werden. (Nachzuschauen in der ZDF Mediathek).…