Richtig geknirscht hat es gerade in der Verkehrsgruppe. Einen "gemeinsamen Spirit" zu entwickeln sei sehr schwierig, erzählte Verkehrsminister Hermann seinen Parteifreunden. "Ich habe viel Empathie und Toleranz gebraucht, mehr als in den vergangenen fünf Jahren. Wir ringen um jedes Wort, um jeden Satz", gab er im Stuttgarter Kreisverband Einblicke, wie es hinter den Kulissen tatsächlich lief. Zwar habe man sich auf eine nachhaltige Mobilität geeinigt, auch was den Straßenneubau anbelangt. Doch als Knackpunkt blieb: Stuttgart 21. Letzter Stand: Die CDU besteht darauf, den Kostendeckel nicht zum Vertragsgegenstand mit der Bahn zu machen.
Es bleibt also offen, ob sich das Land weiter gegen die Bauherrin Bahn wehrt. Im Dezember 2012 war bekannt geworden, dass das große Buddeln statt 4,5 Milliarden doch mindestens 6,5 Milliarden Euro kosten soll. Wer die fehlenden zwei Milliarden bezahlt, weiß Bahnchef Rüdiger Grube bis heute nicht. Die Finanzierungsvereinbarung vom 30. März 2009 sieht bei "unerwarteten Mehrkosten" nur die sogenannte Sprechklausel vor: Die Projektpartner sollen Gespräche aufnehmen. Im März 2013 gab der Bahn-Aufsichtsrat zwar grünes Licht für den Weiterbau von Stuttgart 21. Aber nur unter der Bedingung, dass Grube die fehlenden Milliarden notfalls vor Gericht von den Projektpartnern eintreibt.
Bislang konnte Grube nicht darauf bauen, dass Land (Finanzierungsanteil: 931 Millionen Euro), Landeshauptstadt (292 Millionen), Flughafen Stuttgart (227 Millionen) und der Verband Region Stuttgart (100 Millionen) freiwillig weiteres Geld für den Tiefbahnhofbau rausrücken. "Der Kostendeckel bei Stuttgart 21 gilt", lautete das Mantra der alten grün-roten Regierung. Jetzt will der neue Verhandlungspartner die heilige Kuh offenbar schlachten.
"Wir hätten von der CDU gern eine klare Aussage, dass der Kostendeckel weiter gilt", betonte Hermann gegenüber den Stuttgarter Parteifreunden, sehend, wie sich die Union sträubt. Man habe sich juristische Bewertungen eingeholt, was zu diesem Thema im Koalitionsvertrag stehen darf, um der Bahn keine Munition für spätere Prozesse zu liefern. "Da muss man sich gut wappnen und vorsichtig sein", so Hermann am vergangenen Freitag. Die CDU habe das bisher nicht verstanden, sondern gehe "eher in die Richtung, der Bahn mehr zu zahlen".
Razavi will von einem Kostendeckel nichts wissen
Am nächsten Morgen bestätigte sich Hermanns Befürchtung. In den "Stuttgarter Nachrichten" plädierte die Geislinger CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Razavi dafür, den Kostendeckel-Beschluss der alten Landesregierung nicht erneut aufzulegen. "Die CDU hält sich an den Finanzierungsvertrag mit der Bahn aus dem Jahr 2009, darin steht nichts von einem Kostendeckel", sagte Razavi, die in der Verkehr-Arbeitsgruppe sitzt. Dass das Land nun doch mehr Geld in den umstrittenen Tiefbahnhof pumpt, ist nach Razavis Wortmeldung zwar nicht gesagt. Eine strikte Weigerung klingt jedoch anders. Da macht's auch nichts, wenn die künftige Landesregierung auf jeden Cent achten will, den sie ausgibt: Ab 2020 gilt das Neuverschuldungsverbot.
Razavis Statement schreckte auch das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auf. In einem offenen Brief an die potenziellen Koalitionäre appellierten die Projektgegner, sich durch bahnunabhängige Gutachter eine Einschätzung des jetzigen Kostenstands und möglicher weiterer Kostensteigerungen einzuholen. Zugleich solle die künftige Regierung das Bekenntnis der Vorgänger fixieren, keine weiteren Kosten über die im Rahmen des Kostendeckels zugesagten hinaus zu tragen. Ebenso solle Grün-Schwarz Leistungsfähigkeit und Brandschutz durch unabhängige Gutachten überprüfen lassen.
14 Kommentare verfügbar
Leselotte
am 25.04.2016Da Dein/Ihr Link zum Hauk-Statement blockiert wird (jedenfalls für mich) hier noch ein anderer, der vielleicht besser funktioniert:
https://www.youtube.com/watch?v=u4fjFNKOCAM&sns=fb
Hochgeladen am 16.11.2011
Fraktionsvorsitzender Peter Hauk MdL stellt die Argumente der…