Jeden Dienstag, seit der Wahl am 13. März, nehmen die alten CDU-Abgeordneten voneinander Abschied. Bis am 30. April ihr Mandat endet. So lange treffen sie sich noch im Stuttgarter Haus der Abgeordneten. Im Sitzungssaal der Fraktion entsteht so regelmäßig drangvolle Enge. Demnächst allerdings wird sich das spürbar ändern, denn statt 60 hat die Union nur noch 42 Abgeordnete. Entgegen aller Tradition, seit Gründung des Südweststaats, ist die Hälfte von ihnen nicht einmal mehr Stimmenkaiser vor Ort, also Sieger im Kampf ums Direktmandat. Der inhaltliche Durchblick wird durch die vorübergehende Scheingröße früherer Jahre alles andere als erleichtert – gerade die Abgewählten schlagen die alten Schlachten.
Aktuell beim Megathema Bildungspolitik. Dem Landeschef Thomas Strobl verschwimmen über seinem bundespolitischen Horizont die Details im Unterschied von Gemeinschafts- und Realschule. Themen wie Stundenausstattung, leistungsdifferenzierte Klassen oder heterogene Lerngruppen sind erkennbar nicht seine. Jedenfalls hat er am vergangenen Freitag mit breiter Brust "die bildungspolitische Kompromisslinie" mit den Grünen präsentiert. "Es wäre mir persönlich eine ganz große Freude, alte ideologische Strukturdebatten zu beenden", so Strobl nach den Beratungen in der sogenannten großen Verhandlungskommission.
Die CDU-Basis schreit Verrat
Immer Winfried Kretschmanns Mantra folgend, dass irgendwer das Land ja regieren muss, hatten die Wahlsieger dem möglichen Partner sogar Formulierungs- und Präsentationshilfe angeboten: Die CDU solle doch nach außen hin ihren Erfolg für die fünf Jahre lang favorisierte Realschule in den Vordergrund rücken. Strobl entschied sich beim gemeinsamen Statement mit dem Ministerpräsidenten anders und versprach, dass seine Partei nicht die Axt anlegen würde. Nur Minuten später kochte, angefacht per Facebook und Twitter, die Stimmung hoch im Netz. "Verrat", postete einer aus der Jungen Union (JU) unter einem Foto des Großflächen-Plakats mit der Botschaft "Auch in der Schule – Vielfalt statt Einheitsbrei".
Am vergangenen Wochenende in Schorndorf konnten zwei der vier JU-Bezirksverbände im Land – Südbaden und Nordwürttemberg – unwidersprochen durch den ebenfalls anwesenden Merkel-Vize Strobl einen förmlichen Beschluss fassen, die Koalitionsverhandlungen sofort abzubrechen, sollten die Grünen an der Vereinbarung zum heiklen Thema Gemeinschaftsschulen festhalten. Tatsächlich steht die in diametralem Gegensatz zu dem, was alle Wahlkämpfer auf allen Ebenen der Südwest-CDU wochenlang verkündet hatten: "Die Gemeinschaftsschule ist gescheitert."
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Wolfgang Zursiedel
am 21.04.2016