An Spießigkeit nicht zu überbieten sei dieser "nächste Schritt zum Nannystaat", kritisierte Christian Lindner (FDP) den Maas'schen Vorstoß gegen Sexismus. "Wir brauchen weder einen Veggie-Day noch Geschmacksvorschriften für Werbeplakate", tönte auch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) mit geschwollenem Kamm. Auch in der Medienlandschaft schwellen die Alarmglocken der Alphamännchen auf das Vierfache an, sobald der Sexismus-Knopf getriggert wird. "Erst Böhmermanns Satire, jetzt unsere Sexualität", empörte sich der Journalist Dirk Schümer auf "Welt online". Jetzt nehmen sie uns auch noch die Titten weg oder wie oder was? Zu allem Überfluss werden in die ohnehin schon völlig verzerrte Sexismus-Debatte auch noch Flüchtlinge und die Kölner Silvesternacht mit eingewoben – als hätten wir ohne die "Sex-Syrer" keinen Diskussionsbedarf.
Auch Frau steht ihren Mann, wenn es darum geht, sexistische Werbung zu verteidigen: "Maaslos daneben" sei Maas' Vorschlag, kommentierte die "Bild"-Chefredakteurin Tanit Koch die sexy Causa. "Was kommt als Nächstes? Ein Bundesgesetz gegen Blondinen-Witze?", polterte das Springer-Gewächs weiter. Getoppt wird das Drama nur von der "Zeit"-Journalistin Dagmar Rosenfeld, die den zweiten Teil ihres Doppelnamens gerne weglässt. Sexistische Werbung zu verbieten sei "staatlich verordnete Verklemmtheit", meint Rosenfeld-Lindner. Ja, der Lindner.
Da weiß mensch gar nicht, worüber er sich zuerst aufregen will. Weil Rosenfeld-Lindner völlig ungeniert Stimmung gegen einen politischen Gegner ihres Mannes macht, ohne dass die Verflechtung transparent gemacht wird? Oder weil sie Sexismus völlig ungeniert auf dem Terrain der Verklemmtheit verhandelt? Doch es ist mehr als das. Rosenfelds Kommentar verdeutlicht ein grundlegendes Problem der Diskussion: Es fehlt ein Konsens darüber, was Sexismus überhaupt ist.
Fehlender Konsens über Sexismus
Sexistische Werbung hat erst mal nichts mit der Darstellung entblößter Körperteile zu tun. Sexismus ist eine Diskriminierungsform, die ein Machtgefälle zu Ungunsten eines anderen Geschlechts zur Folge hat. Das kann auch in Klamotten passieren. Sobald eine Darstellungsform einen Menschen qua seiner Geschlechtszugehörigkeit in seinem gesellschaftlichen Status einem anderen Geschlecht unterstellt, handelt es sich um Sexismus. Und wann ist das bitte schön der Fall? Ist doch Auslegungssache, oder? Es kann durchaus vorkommen, dass die Frau des Gas-Wasser-Installateurs, der völlig sinnentleert mit einer sich räkelnden Strapsliesel auf dem Sprinter Werbung macht, das total okay findet. Also kann's ja wohl kaum sexistisch sein. Oder doch?
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Freya
am 29.04.2016