Jetzt wurde sogar die monatelang diskutierte Wahlkampfstrategie über Bord geworfen. Kommunikationsexperten und Politberater, alte Hasen und nicht zuletzt die Bundesvorsitzende selbst hatten Guido Wolf dringend empfohlen, eines kategorisch zu vermeiden: persönliche Attacken auf den derzeit beliebtesten Politiker in Deutschland. Und was tut die Junge Union? "Herr Kretschmann ist eine Mogelpackung", befindet Landeschef Nikolas Löbel, "und die werden wir jetzt entzaubern." Er diene den "Grünen als trojanisches Pferd für ihre ideologische Politik".
Wieder einer dieser Fehlgriffe, aufgereiht wie schwarze Perlen am seidenen Faden, die ganze Legislaturperiode lang. Anstatt Stärken und Schwächen von Grün-Rot ernsthaft zu analysieren, wird wieder auf oberflächliche Stimmungsmache gesetzt. Neu aufgelegt wurde einer alter Spruch des abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus aus dem Wahlkampf 2011: "Kretschmann wählen bedeutet Özdemir bekommen." Nein, sagt Löbel treuherzig, mit Name und Abstammung des Grünen-Bundesvorsitzenden habe das natürlich gar nichts zu tun gehabt. Womit dann? Kretschmann und Özdemir stehen im selben Realo-Lager. Der mit giftiger Nadel gestrickte Slogan auf den 4000 grünen Plakaten und Karten der Jungunionisten hätte nur dann keinen anstößigen Sinn, wenn Kretschmann gegen Vertreter des linken Flügels wie Jürgen Trittin oder Özdemirs Kovorsitzende Simone Peter gestellt werden würde.
Noch schlimmer ist, dass – zum dritten Mal nach 1968 und 1992 – wieder Teile der Union im trüben rechten Teich fischen. Der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), Jörg Meuthen, macht ebenfalls gerade Stimmung gegen Özdemir. Ein von einem bekennenden AfD-Fan <link https: www.youtube.com external-link-new-window>hochgeladenes Video aus einer Wahlveranstaltung belegt, wie erfolgreich niedere Instinkte durch die Erwähnung eine türkischen Namens zu wecken sind. Trotzdem, wehrt sich auch CDU-Generalsekretärin Katrin Schütz, sei der JU-Spruch nicht ausländerfeindlich, "sondern er fügt sich schlicht in die Kampagne ein". Die JU zeige pointiert: "Zwischen Kretschmann als Person und den Grünen klafft ein Graben."
Der Graben zwischen Merkel und den Südwest-Freunden ist klaftertief
Dabei hätte die Union genügend Anlass, vor der eigenen Tür zu kehren. Zwischen den Parteifreunden im Südwesten und jenen in Berlin ist der Graben schon lange klaftertief. Seit Angela Merkel die CDU führt, muss sie auf der Hut sein vor Mitstreitern aus der Gegend zwischen Main und Bodensee. Erwin Teufel, Günther Oettinger, Thomas Strobl und viele andere sind ihr immer wieder in den Rücken gefallen. Die Wahlkämpfer von heute machen da keine Ausnahme. Spitzenkandidat Guido Wolf versucht zu verschleiern, dass sein Tageskontingente-Transitzonen-Papier nicht mit dem Kanzleramt abgesprochen war. Im Team Merkels wiederum hat niemand etwas dagegen, dass eine offizielle Einladung für den gemeinsamen Auftritt mit Kretschmann in den Briefkästen landet. Noch am Wochenende heißt es, sie werde diesen Termin "mit Sicherheit" wahrnehmen. Vor der Absage am Montag sollen die SMS- und E-Mail-Drähte mächtig geglüht haben. Von einem "groben Foul" der Kanzlerin gegenüber dem ohnehin bedrängten Landesverband war unter heimischen Bundestagsabgeordneten die Rede.
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