Lieb will die Abgeordneten auf weitere Schwachpunkte des Milliardenprojekts hinweisen. Etwa auf einen Flaschenhals für den schnellen Fernverkehr. So endet die Schnellfahrstrecke von Mannheim auch nach Fertigstellung von Stuttgart 21 weiterhin im nördlichen Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen. Eine trassenbedingte Langsamfahrstelle bremst den Hochgeschwindigkeitsverkehr danach aus: Die ICE müssen sich bis zum neuen Hauptbahnhof über sieben Kilometer das Gleis mit dem Regional- und Fernverkehr aus Pforzheim und Heilbronn teilen. Um beide Verkehre zu entflechten, braucht es nach Lieb nicht nur zwei zusätzliche Fernverkehrsgleise zwischen Zuffenhausen und neuem Hauptbahnhof. Sondern auch zwei zusätzliche Bahnsteiggleise im Tiefbahnhof selbst. "Für die fehlt es im eng bebauten Talkessel aber am Platz", so Lieb.
Luik: Wenn Rationalität eine Rolle spielt, muss S 21 gestoppt werden
Am gegenüberliegenden Ende von Stuttgart 21, auf der Filderhochebene, soll dagegen geklotzt werden. Nach den bisherigen Planungen soll möglichst nahe an den Airport-Terminals ein unterirdischer Flughafenbahnhof entstehen, der nur über teure Ausschleifungstrassen von der Neubaustrecke nach Ulm erreichbar ist. Allein 600 Millionen Euro soll der Flughafenhalt kosten. "Mit einem oberirdischen Flughafenbahnhof direkt an der Schnellfahrstrecke neben der Autobahn könnte relativ preisgünstig und schnell eine Flughafenanbindung realisiert werden", sagt Lieb. Bei dieser Variante ließen sich bis zu 500 Millionen Euro einsparen, argumentiert der VCD-Landesvorsitzende.
Auch der Journalist Arno Luik, von der Linken als Experte in der Anhörung nominiert, will die ungelösten Probleme von Stuttgart 21 erneut zur Sprache bringen. Im März 2011 veröffentlichte der "Stern"-Autor einen Artikel, in dem er sich auf ein 130 Seiten dickes Dossier der DB Projektbau GmbH zu Stuttgart 21 bezieht. Das geheime Dossier dokumentierte anhand von 121 Risiken – und einer Chance –, dass Stuttgart 21 viel komplizierter ist, als zuvor immer behauptet wurde. Und wenn überhaupt machbar, dann nur mit viel, viel mehr Geld als ursprünglich geplant. "Viele dieser Risiken sind auch heute noch virulent", sagt Luik und prophezeit, dass die Anhebung des Finanzierungsrahmens im März 2013 um zwei Milliarden auf inzwischen 6,5 Milliarden Euro nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Auch er bemängelt die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs, der weniger leiste als der bestehende Kopfbahnhof. Auch er verweist auf ungeklärte Brandschutzfragen im Tunnelsystem und Risiken für Reisende durch die extreme Gleisneigung im Tiefbahnhof. "Es ist grotesk, dass man Milliarden in die Hand nimmt für einen Bahnhof, der weniger als der bisherige leistet und der das Reisen definitiv erschwert", sagt Luik. Wenn Rationalität bei diesem Projekt noch eine Rolle spiele, dann müsste es spätestens jetzt gestoppt werden, fügt der Journalist hinzu.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht trägt die Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags dazu bei, dass Stuttgart 21 wieder ein Thema im politischen Alltag wird, sagt ein Insider. "Vielleicht ist sie die Initialzündung für die Einsetzung eines Stuttgart-21-Untersuchungsausschusses im Bundestag, der die wahren Hintergründe aufdeckt, warum dieses Projekt trotz all der offenen Fragen bis heute gebaut wird." Die Linke hatte im Mai vergangenen Jahres bereits einen U-Ausschuss gefordert, sich bei den Grünen, deren Zustimmung es zur Einsetzung bedarf, aber eine Abfuhr geholt.
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tillupp
am 04.05.2015