Indessen zeigen die Akten, dass die Bahn auch Hausaufgaben gemacht hat. Wenn auch halblebig. Erfüllt wurde etwa die Forderung der Stuttgarter Branddirektion nach einer veränderten Entrauchung des Tiefbahnhofs. Simulationen hatten gezeigt, dass beim früheren System in einem von vier Brandszenarien die Bahnhofshalle bereits verraucht ist, bevor alle Flüchtenden in Sicherheit sind. Nun soll ein neues Konzept die Selbstrettung garantieren. Riesige Ventilatoren an den Tunnelportalen sollen einen Luftstrom im Bahnhof erzeugen, der den Rauch über Lüftungsklappen in den markanten Glasaugen der Hallendecke ins Freie entweichen lässt. Nach den alten Plänen wäre giftige Qualm teilweise auch über Entrauchungsbauwerke in den angrenzenden Tunnelröhren abgezogen. Erfolgreich überprüft wurde die neue Entrauchung im Brandszenario 4 (Brand unter Verteilersteg C), das zuvor durch zu lange Evakuierungszeiten aufgefallen war.
Simulationen für die Brandszenarien 1 bis 3 sparte sich die Bahn – was Stuttgarts Feuerwehrchef Frank Knödler prompt kritisiert. Der Nachweis sei zu erbringen, dass "auch bei diesen Brandfällen eine sichere Evakuierung des Tiefbahnhofes gegeben ist (zuzüglich eines Puffers von möglichst 10 % für unvorhersehbare und atypische Geschehensabläufe und unkalkulierbare Panikreaktionen der Betroffenen)", heißt es in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2014.
Expertentreffen ohne Stuttgarter Feuerwehr
Zusätzlich fordert der Chef der Berufsfeuerwehr von der Bahn ein Aerodynamik-Gutachten für den Straßburger Platz, wo im Brandfall der Rauch aus den Glasaugen austritt. "Dorthin flüchtet sich weiterhin ein Teil der Menschen aus dem Tiefbahnhof. Der Nachweis der Rauchfreihaltung des Straßburger Platzes ist – wie bereits gefordert – nachzuweisen", so Knödler. Gleichlautende Nachweise erwartet auch das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS), das als zweiter sogenannter Träger öffentlicher Belange am Genehmigungsverfahren beteiligt ist. Das nahm die Bahn offenbar nicht so ernst. Pikiert weisen Feuerwehr und RPS das EBA darauf hin, dass sie nicht an Beratungen und Festlegungen beteiligt wurden, Gutachten und Stellungnahmen vorenthalten wurden. Nur unter Vorbehalt der noch zu erbringenden Nachweise stimmen beide Institutionen dem vorgesehenen Brandschutzkonzept zu, auf Grundlage eines Brandszenarios mit maximal 16 164 zu entfluchtenden Personen. Im Übrigen sei der Kontakt zur Bahn gut, betont ein Stadtsprecher. Das Unternehmen schätze die fachliche Beratung durch die Branddirektion.
Über die Frage, wie viele Menschen im Brandfall zu evakuieren sind, ist mittlerweile ein heftiger Streit entbrannt. Bereits für die erste Planfeststellung von S 21 im Jahr 2003 wurde dafür auf die sogenannte EBA-Formel zurückgegriffen. Sie berechnet sich aus der maximalen Fahrgastzahl (Sitz- und Stehplätze) der "längsten gleichzeitig am Bahnsteig haltenden Zugeinheiten", zuzüglich 15 bis 30 Prozent Wartende. In der bisherigen Lesart bedeutet die maßgebliche Personenzahl für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof von 16 164 Reisenden, dass bei acht Gleisen an vier Bahnsteigen durchschnittlich 4041 Reisende von einem Bahnsteig zu evakuieren wären.
Brandschutzbeauftragter rechnet mit Geisterzügen
Zweifel, ob dieser Durchschnittswert der Realität entspricht, löste Klaus-Jürgen Bieger, der Brandschutzbeauftragte der Bahn, aus, als er im Oktober 2013 dem Stuttgarter Gemeinderat die EBA-Formel erläuterte. Demnach ergibt sich das Formelergebnis aus zwei Regionalzügen pro Bahnsteig mit je sieben Doppelstockwaggons und 1757 Insassen. Nur nebenbei erwähnte Bieger damals, dass derartige Züge wegen der steilen Tunnelstrecken nicht in Stuttgart verkehren können (nachzulesen im Sitzungsprotokoll).
Dies rief Christoph Engelhardt vom Faktencheck-Portal WikiReal.org auf den Plan. Anhand von Fahrplänen für Stuttgart 21 berechnete der Physiker und Systemanalytiker, dass deutlich mehr, nämlich bis zu 6118 Menschen von einem Bahnsteig zu retten sind. "Für Stuttgart 21 sind kürzere Züge geplant mit lediglich fünf Doppelstockwaggons, die in dem engen Fahrplan häufig in Doppelbelegungen am Bahnsteig halten", erläutert Engelhardt. Im Stresstest-Fahrplan, der als Leistungsnachweis des Tiefbahnhofs gilt, sei jeder zweite Zug von Doppelbelegungen betroffen. Schon bei geringer Verspätung stünden mehrmals in der Stunde vier Züge gleichzeitig an einem Bahnsteig. Auch bei ausgedünntem Fahrplan mit 32 Zügen in der Stunde seien zwei Doppelbelegungen am gleichen Bahnsteig möglich.
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Hans Drager oder wie ihr auch immer heißen mögt... ihr Ober-Schlaumeier von der Patientenfront; ihr, die ihr die einzigen seid, die wissen, wie es in der Welt zugeht (Arzt contra Patient), ihr, die ihr auch heute das tut, was ihr schon immer getan habt: aus...
Vielen, vielen Dank an Winfried Wolf für diesen hervorragenden, sachlich fundierten und aufklärenden/klarstellenden Artikel!! "Erst wenn alles zerstört ist, werdet Ihr merken, dass sie unfähig sind, einen Bahnhof zu bauen" - tolle Aktion von Robin Wood...
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