Bisher haben solche und andere Argumente nicht gezogen, nicht beim DB-Management, nicht unter den unbelehrbaren Befürworter:innen in der Politik, nicht vor Gerichten. Das Begehren, das auf den Namen "Bahnhof mit Zukunft" hört, zielt auf andere, auf direkt Betroffene: Auf die Reisenden und die Pendler:innen, die mit Verspätungen kämpfen, auf die tagtäglich im Stau Stehenden, auf die unter der hässlichen Riesenwunde im Stadtzentrum Leidenden, auf jene Bürger:innen, denen gerade angesichts der Kostenexplosion und des Zustands der Bahn vielleicht doch Zweifel gekommen sind.
"Es geht nicht um die alten Kämpfe 'oben oder unten' oder um die Frage 'Gleise oder Wohnungen', sondern darum, dass die zukunftsfähige Entwicklung des Bahnknotens Stuttgart nicht durch die Bebauung auf einer kleinen Teilfläche verbaut wird", so der SÖS-Stadtrat. Und fügt hinzu: "Die Welt steht in Flammen, und ich komme euch wieder mit unserem ollen Bahnhof" – aber es bestehe jetzt eben eine einmalige Möglichkeit.
Tatsächlich liegen Gerichtsentscheidungen vor, die zumindest die Chance für ein erfolgreiches Begehren zu eröffnen scheinen. So hat sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Februar 2024 mit einem Bebauungsbeschluss zu Lasten von Bewohner:innen, unter anderem wegen Lärmbelästigung und Naturschutzes befasst. Es ist ein Fall in einer anderen Kommune, und Gleisflächen spielen keine Rolle, aber in dem 28 Seiten starken Urteil fällt auch dieser entscheidende Satz: "Jeder 'weichenstellende' Grundsatzbeschluss, der eine Planung einleitet oder eine Planungsstufe abschließt, ist bürgerbegehrensfähig." Vorangegangene Gemeinderatsbeschlüsse in derselben Angelegenheit verhinderten ein Bürgerbegehren nicht gegen einen nachfolgenden Gemeinderatsbeschluss, der eine Planungsstufe abschließt, heißt es weiter.
Drei Monate zum Unterschriftensammeln
Fällt der Beschluss für das Areal A2 am 15. Juli tatsächlich im Gemeinderat, löst dieses Datum eine Drei-Monats-Frist aus, in der 20.000 Unterschriften gesammelt werden müssen. Derzeit werden dafür Helfer:innen gesucht. Rockenbauchs Rechnung: Sollte es gelingen, 200 Aktive zu gewinnen, müsste jede und jeder binnen drei Monaten hundert Unterschriften sammeln, pro Woche weniger als zehn. Ein Trägerkreis formiert sich gerade. Ein Brief zur Ankündigung des Vorhabens wurde am 8. Juli an OB Nopper übergeben, unterzeichnet von Rockenbauch und dem Landesvorsitzenden des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Gero Treuner. Darin wird gleich zum Einstieg darauf hingewiesen, "dass das Teilgebiet A2 im Bereich des Projekts Stuttgart 21 weiter wesentlich für die Eisenbahn notwendig ist, und dass dieses sowohl kurz- und mittelfristig (…) als auch für weit in der Zukunft liegende Bedarfe für den Schienenverkehr benötigt wird."
Die baden-württembergische Gemeindeordnung bedient sich ebenfalls des Wörtchens "unverzüglich", denn auf diese Weise muss die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens fallen, "spätestens aber innerhalb von zwei Monaten". In Absatz vier wird der weitere Verlauf erläutert: "Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt." Das Aktionsbündnis hält es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass die satte S-21-Mehrheit im Gemeinderat ihre A2-Pläne einfach fallen lässt. Für diesen Fall müsste die Bevölkerung über das Begehren "Bahnhof mit Zukunft" abstimmen. Das wiederum könnte am 8. März 2026 stattfinden, dem Tag der nächsten Landtagswahl.
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