Doch mit der Entscheidung der SPD-Konvents vom vergangenen Montag, CETA grundsätzlich zu befürworten, scheint ein Inkrafttreten des umstrittenen Vertrags wahrscheinlich. "Unterm Strich stimmt die SPD einem demokratieschädlichen Abkommen zu – trotz Teilerfolge (sic!) der Kritiker", kommentierte Giegold via Twitter. Nach dieser Abstimmung muss CETA auch vom Europaparlament ratifiziert werden. Angesichts der konservativ-liberalen Mehrheit dort wird dies allgemein erwartet. Zudem muss CETA als "gemischtes Abkommen" von allen nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, um endgültig in Kraft zu treten. In Deutschland müssen Bundestag und Bundesrat Ja sagen. "Deshalb können die Grünen das Abkommen über den Bundesrat noch verhindern", so Giegold in Schorndorf. Die Grünen sind an zehn von 16 Landesregierungen beteiligt – nach der Berlin-Wahl womöglich an elf.
Als Wackelkandidat in der grünen Anti-CETA-Front gilt neben Hessen und Hamburg gerade auch Baden-Württemberg, wo mit Winfried Kretschmann der erste und einzige grüne Ministerpräsident amtiert. Zum Kanada-Pakt hat sich der regierende Realo stets sowohl als auch geäußert. "Wenn im Zuge von CETA und TTIP bilaterale Handels- und Investitionshindernisse abgebaut würden, dann käme das unserer Wirtschaft zweifellos zugute. Zugleich aber kann die Politik nicht ignorieren, dass viele Menschen diesen Abkommen mit großem Misstrauen begegnen", so Kretschmann am vergangenen Samstag als Gastredner auf einer Firmenjubiläumsfeier im hohenlohischen Ingelfingen. Für Kretschmann kommen in den Protesten vor allem ein allgemeines Unbehagen an der Globalisierung und über die mangelnde Transparenz zum Ausdruck. "Dabei sind es gerade solche Abkommen, die uns Europäern in einer globalisierten Welt die Chance eröffnen, die Standards des Welthandels mitzubestimmen – bevor es andere tun!", betonte er. Und: Man befürworte Freihandelsabkommen grundsätzlich. Aber: Die Landesregierung stelle den CETA und TTIP keinen Freifahrtschein aus. Eine Aussage, die auch von SPD-Chef Gabriel hätten stammen können.
Kretschmann sieht TTIP und CETA vor allem als Chance
Auch bei den Bedingungen, die für eine Zustimmung erfüllt sein müssen, klingt der Grüne wie der rote Parteichef: Die bisherigen Standards in Bereichen wie Verbraucherschutz, Umweltschutz oder Gesundheitsversorgung müssten gewahrt bleiben. "Und natürlich darf es auch bei demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren keine Rabatte geben", so Kretschmann.
Offenen Widerspruch aus der eigenen Fraktion braucht der Ministerpräsident offenbar nicht zu fürchten. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz gab vor dem Demo-Samstag ähnliche Statements zum Besten, sprach von roten Linien, die nicht gerissen werden dürften. Als Neuigkeit verkündete Schwarz, Ende September mit einer öffentlichen CETA-Anhörung im Landtag für Transparenz sorgen zu wollen. Man nehme sich Zeit und externen Sachverstand, um die Folgen des mehrere Tausend Seiten starken Abkommens abschätzen zu können. Dass der Tübinger Juraprofessor Martin Nettesheim bereits zu Jahresanfang im Auftrag der Staatskanzlei ein, zunächst geheim gehaltenes, <link https: stm.baden-wuerttemberg.de fileadmin redaktion dateien pdf external-link-new-window>Gutachten zu CETA vorgelegt hat, scheint im Stuttgarter Landtag bereits vergessen. Darin hat der renommierte Verwaltungsrechtler vor massiven Eingriffen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge durch CETA gewarnt.
Wer sucht, der findet im Stammland der Grünen dennoch Parteigrößen, die nicht um den heißen Freihandelsbrei herumreden. "Nur fairer Handel ist freier Handel. Die geplanten Handelsabkommen TTIP und CETA erfüllen die Kriterien nicht, die wir an gerechte Freihandelsabkommen anlegen", sagt der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand. Man werde "gegenüber der Landesregierung deshalb weiter darauf hinwirken, CETA nicht zuzustimmen, sollte es zu einer Abstimmung im Bundesrat kommen". Doch auch dies scheint mehr ein Wunschdenken zu sein. Denn laut Koalitionsvertrag enthält sich die Landesregierung bei Abstimmungen im Bundesrat, wenn sich die Regierungskoalitionäre nicht einig sind. Und die baden-württembergische CDU hat bislang weder TTIP noch CETA in Frage gestellt.
3 Kommentare verfügbar
CharlotteRath
am 21.09.2016http://www.taz.de/!5016091/
Den ohnehin zu großen Exportüberschuss noch weiter zu stärken, das ist ja so was von nachhaltig, Herr…