O-Ton Winfried Hermann: "Liebe Fangemeinde, dieses Projekt rechnet sich nicht. Es ist nicht wirtschaftlich. Es schadet dem Schienenverkehr und den Kunden. Es ist schlicht und einfach unterirdisch. Stuttgart 21 ist das größte, unsinnigste und teuerste Projekt der Bahngeschichte in Deutschland. Nehmen Sie Abstand davon! Denken Sie nach! Wir fordern ein Moratorium. Dann können Sie auch nachrechnen." Das war im Dezember 2009 im Bundestag, ein paar Tage nachdem im Neuen Schloss das bestgerechnete Projekt aller Zeiten endgültig auf die Schiene gesetzt worden war. Der heutige Verkehrsminister versuchte kurz vor knapp und vor dem Verfall der Ausstiegsklausel am 31. Dezember die Befürworter doch noch zur Umkehr zu bewegen.
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt und das neueste Kapitel brandaktuell. Der Bundesrechnungshof schreibt den Projektpartnern und dem als Aufsicht versagt habenden Bundesverkehrsministerium "zahlreiche Anhaltspunkte" dafür ins Stammbuch, dass der veranschlagte Kostenrahmen bis zum geplanten kaufmännischen Projektabschluss 2025 "erheblich überschritten werden könnte". Drei Jahre lang wurden Bahn-, Aufsichtsrats- und Regierungsunterlagen überprüft. Als Gründe für abermalige Steigerungen sind Fehleinschätzungen der DB aufgelistet: Risiken seien nicht berücksichtigt und Chancen zu optimistisch bewertet worden, etwa bei den Tunnelbohrungen.
Das wissen Gegner schon seit vielen Jahren und aufmerksame Fernsehzuschauer spätestens seit der Schlichtung im Spätherbst 2010. In immer neuen Anläufen versuchten Volker Kefer und sein Felsbau-Experte Walter Wittke Anmerkungen, Argumente, Berechnungen und Warnungen der Gegner zu den geologischen Risiken in den Bereich der Fabel zu verweisen. Unter tätiger Mithilfe der journalistischen Fangemeinde. Die "Südwestpresse" zum Beispiel lässt der Befürworterseite jede Volte durchgehen, freut sich, wie Gegner-Experten "zerlegt" worden seien, und über seltsame Wittke-Auskünfte wie die, dass Technik Risiken berechne als das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Höhe eines Schadens. Dabei hätten diese Tage im November 2010, kurz vor Abschluss der Schlichtung, noch einmal zur Zäsur werden können. Kefer wollte keine belastbaren Preise für den Kubikmeter Aushub auf den Tisch legen und wusste sicher ganz genau, warum. Tübingens OB Boris Palmer (Grüne) gemahnte noch einmal an den Grube-Vergleich mit den Bunkern und wollte erfahren, ob "die Entscheidung vor einem Jahr, die Tunnelwandstärken zu reduzieren", auf einen Sicherheitsgewinn "durch wissenschaftlichen Fortschritt zurückzuführen" sei oder nicht. Antwort: keine.
7 Kommentare verfügbar
Markus Graber
am 03.10.2016Ein anderes aktuelles Schweizer Bahnprojekt, die Zürcher Durchmesserlinie ist dafür eher geeignet.
Stadtdurchquerung mit Überführungen und Tunnels, dazu ein unterirdischer Bahnhof mit…