Ein Glück, dass Stuttgart 21 später fertig wird. Diesen Eindruck vermittelte die letzte Pressekonferenz des Lenkungskreises der S-21-Projektpartner. Denn der spätere Termin ermögliche, dass der gesamte Bahnknoten zu einem Leuchtturmprojekt werden könne. Man müsse jetzt "die Chance nutzen, die wir ohne die Verzögerung nicht gehabt hätten", sagte Thomas Bopp, Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart.
Wer sich nun wundert, da S 21 bislang vor allem als nicht termingebundenes Leuchtturmprojekt zur Geldvernichtung von sich reden macht, dem sei gesagt: Hier geht es um einen anderen Leuchtturm, den der Digitalisierung. Genauer, um ETCS. Hinter dem Kürzel verbirgt das "European Train Control System", ein digitales Zugbeeinflussungssystem, das bisherige Signal- und Zugleitsysteme überflüssig und den Verkehr effizienter machen soll. Dadurch soll der "Bahnknoten Stuttgart", und das meint Regionalpräsident Bopp mit "Chance", in die Zukunft katapultiert, seine Kapazität beträchtlich gesteigert werden.
Nun ist ETCS im Zusammenhang mit Stuttgart 21 beileibe nichts Neues, sollte aber nach den bisherigen Planungen nur dem Fernverkehr vorbehalten bleiben. Schon beim Faktencheck im Herbst 2010 wurde heftig diskutiert, insbesondere darüber, dass der Fildertunnel zwischen Tiefbahnhof und Flughafenbahnhof ausschließlich mit ETCS und nicht zusätzlich mit herkömmlicher Signaltechnik ausgestattet werden sollte – was seine Nutzung für Nahverkehrszüge unmöglich gemacht hätte. Allerdings sagte der damalige Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer damals gegenüber Heiner Geißler zu, für den Fildertunnel eine doppelte Ausführung immerhin zu prüfen.
Doch nun soll offenbar alles noch einmal anders werden. So soll jetzt der komplette Nahverkehr mit ETCS ausgestattet werden, und zusätzlich auch noch das gesamte Stuttgarter S-Bahn-Netz – das erst einmal nichts mit Stuttgart 21 zu tun hat. Um die bevorstehende digitale Beglückung noch stärker herauszustellen, wurde es aber vom Lenkungskreis kurzerhand zum "Bahnknoten Stuttgart" eingemeindet.
Fantastische Zahlen
Vom Verband Region Stuttgart wird schon seit einigen Jahren eine ETCS-Ausstattung der unter Engpässen und Verspätungen leidenden S-Bahn gefordert. Die jetzige Möglichkeit bot sich, weil die chronisch krisengeplagte DB in diesem Jahr ihr Programm "Digitale Schiene Deutschland" vorstellte und die Stuttgarter S-Bahn es darin zum Pilotprojekt im Teilbereich "S-Bahn in Metropolen" schaffte. Bahn-Technikvorstand Ronald Pofalla oblag es daher, die frohe Botschaft in den schönsten Farben und vor allem Zahlen auszumalen. Durch die ETCS-Ausrüstung prognostizierte er "eine Kapazitätssteigerung von bis zu zehn Prozent" bei der S-Bahn, doch die Digitalisierung werde "nicht nur die Kapazität erhöhen, sondern auch die Qualität". Die Pünktlichkeit werde man ganz anders steuern können, die Zuverlässigkeit des Systems werde stark erhöht, und wenn nach dem jetzt zur Ausrüstung geplanten ETCS Level 2 in ein paar Jahren die Level-3-Version komme, "dann gewinnen Sie nochmals zusätzlich bis zu 15 Prozent Kapazität". Ein einziges Heilsversprechen.
3 Kommentare verfügbar
Thomas A
am 14.11.2018Bemerkenswert wie sich auch das Bild bei der Finanzierung…