Einen Nachruf auf Edzard Reuter schreiben. Das macht traurig und Angst. Wie soll man einem Leben gerecht werden, das 96 Jahre umfasst? Viele davon auf einem schmalen Grat. Ein Absturz ist jederzeit möglich. Geboren 1928, SPD-Familie in Nazi-Deutschland, türkisches Exil (1935 bis 1946), sein Vater Regierender Bürgermeister in Berlin (1948 bis 1953), er selbst Vorstandsvorsitzender von Daimler-Benz (1987 bis 1995), danach Kapitalismuskritiker mit mehreren Büchern, Ehrenbürger von Berlin. Das sind die nüchternen Daten. Aber was ist, wenn man den Mann mochte?
Wenn man nachts um zehn in der Notaufnahme des Stuttgarter Marienhospitals steht, und am Ende eines langen Ganges der väterliche Freund auf einer Transportliege wartet? Er ist zuhause gestürzt. Er hat Glück, nichts ist gebrochen, er bekommt ein Zimmer für die Nacht, am nächsten Tag wird er entlassen. Er versucht ein Lächeln und gibt das Versprechen mit auf den Weg, in die Redaktion zu kommen, sobald es gehe, mit schönen Grüßen. Präsent, klaglos und voller Würde.
Es ist Montag, der 21. Oktober 2024. Am darauf folgenden Sonntag ist Edzard Reuter tot. Multiples Organversagen. Wie es dazu kam, ist noch ungeklärt.
5 Kommentare verfügbar
Peter Faethe
am 02.11.2024Ernst Reuter hatte keine Probleme, während des "Exils" bzw. seiner "Flucht" die Reisepässe in Ankara auf der Botschaft des Deutschen Reiches offiziell verlängern zu lassen.
Ein fauler Fisch verdirbt das ganze Fass - das gilt auch für (ansonsten) sehr gute…