Der eine Stuhl hat Flügel bekommen. Der andere spreizt sich in buntem Federkleid. Der dritte zeigt sich verschnürt und eher abweisend. "Das ist der ungarische Stuhl", sagt Anita Glass, grinst und spannt eine weitere Schnur quer über die Sitzfläche, "der lädt nicht zum Sitzen ein." Von Mutlangen ist sie an diesem Sonnentag nach Schwäbisch Gmünd gereist, auch den Federstuhl hat sie beklebt.
Beide sind Teil der Aktion "Ein Platz für Asyl in Europa". Am kommenden Samstag werden sie mit vielen anderen Stühlen auf dem dortigen Marktplatz stehen. Dann feiert das Aktionsbündnis für Vielfalt und Solidarität "Deine Stimme gegen Rechts" schon vor der Wahl, dass die AfD in der Kommune nicht zur Wahl steht. Und zeigt mit den Stühlen, wer willkommen ist und wer nicht.
Ein Stuhl mit blauen Flügeln – wie das Blau des Mittelmeers
Ein buntes Volk hat sich im Hinterhaus in der Goethestraße versammelt, wo das Gebrauchtmöbel-Kaufhaus der Arbeitslosenselbsthilfe "Also" seine Heimat gefunden hat. Das Sozialunternehmen gibt es seit fast 30 Jahren. An diesem Tag wird gesägt, Federn fliegen durch die Luft und Vorschläge, es riecht nach Klebstoff und guter Laune. Sara Schiran ist die Leiterin der Holzwerkstatt, macht aus Nachtkästchen hübsche Kinderherde, will Frauen fürs Holzhandwerk begeistern und hat heute schon den Stuhl mit blauen Flügeln verziert. Blau wie das Wasser des Mittelmeers, blau wie der Himmel darüber. "Ein Engelstuhl", findet eine Mitstreiterin. "Sich kreativ mit Flucht und Asyl auseinanderzusetzen", sagt Schiran, "ist mehr als nur drüber reden."
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