Nicht ohne Grund favorisiert die Stadtspitze den Neubau beim Güterbahnareal: Gegenüber der historischen Altstadt ist dort Platz für ein großzügiges Familienbad, das neben mehr Wasserfläche auch Freizeit- und Wellnessangebote wie Rutschen und Saunalandschaft bieten könnte. Was fehlt, ist das Geld für das auf über 20 Millionen Euro Baukosten geschätzte Vorhaben. Doch an Ebbe im Stadtsäckel soll es diesmal nicht scheitern, weswegen der OB auf ein alternatives Finanzierungsmodell drängt: Ein privater Investor soll mit ins Boot, das Bad könnte in sogenannter Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) realisiert werden.
Ei des Kolumbus oder Millionengrab?
Mit diesem Modell scheint Arnold, der vor der vergangenen Landtagswahl zeitweise als Herausforderer des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann gehandelt wurde, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Zumindest auf den ersten Blick: Der private Investor baut und betreibt das Spaßbad die nächsten 30 Jahre auf eigene Rechnung. Für die Nutzung des Badbereichs durch Schulen und Vereine überweist die Stadt jährlich 1,7 Millionen Euro. Was exakt der Summe entspricht, die die Kommune derzeit pro Jahr ins jetzige Hallenbad steckt, um das Defizit auszugleichen. Man bekomme so ein neues Bad, ohne mehr Geld als den sogenannten Abmangel in die Hand zu nehmen, verspricht Arnold. Über drei Jahrzehnte teile sich die Stadt zudem das Risiko, betont er. Die städtischen Bäderbetriebe bräuchten sich nicht mehr um Besucherzahlen und Auslastung kümmern.
Während die Gemeinderatsmehrheit von CDU und Freien Wählern den Vorschlag bejubelt, befürchten Grüne und Linke, dass die Stadt auf Dauer mit der ÖPP baden geht. "Das Investorenmodell kommt teurer, als das Bad selbst zu finanzieren", warnt Linke-Fraktionsvorsitzender Sebastian Fritz, denn er glaubt, dass ein Investor früher oder später Nachforderungen stelle, wenn seine Rechnung nicht aufgehe. Jährlich eine Million Euro Zuschussbedarf, zusätzlich zu den eingeplanten 1,7 Millionen für die Nutzung, hält er für möglich. Unter dieser Prämisse wäre ÖPP ein klares Verlustgeschäft: Bis Vertragsende summierten sich die Kosten für den städtischen Haushalt auf 86 Millionen Euro, rechnen Grüne und Linke vor. Bei Eigenfinanzierung über Kredite koste das Bad die Stadt lediglich 63 Millionen Euro.
Vergangene Woche stellte die Verwaltung ihre Kostenprognosen im Gemeinderat vor. Und die fallen anders aus, als von Grünen und Linken erwartet. "Das derzeit diskutierte Investorenmodell ist eine von mehreren Beschaffungsvarianten", betonte Stadtkämmerer René Bantel. Man habe "ergebnisoffen" anhand von vier Badvarianten geprüft, welches Modell wirtschaftlicher sei. Demnach koste die günstigste Lösung, die Sanierung des jetzigen Hallenbades, 17 Millionen Euro. Bei 30 Jahren Nutzungsdauer zahle die Stadt voraussichtlich 2,334 Millionen Euro jährlich. Die teuerste Variante, ein großes Bad mit acht 50-Meter-Bahnen plus Sauna, Erlebnis- und Kinderbecken schlage mit 26 Millionen Euro zu Buche. Die Stadt koste dies auf 30 Jahre jährlich 2,601 Millionen Euro. Damit zeige sich, dass ein jährlicher Finanzrahmen von 1,7 Millionen Euro nicht reiche, weder für die Sanierung des alten Hallenbades noch für ein Neubauprojekt. Die Kooperation mit einem Investor "könnte" die Möglichkeit für einen Neubau eröffnen, so Bantel vorsichtig: "Letztlich wissen wir es erst, wenn ein konkretes Angebot vorliegt".
Mag ÖPPs: Die Baubranche
Tatsächlich liegen Licht und Schatten bei ÖPPs eng beieinander. "Unsere öffentlichen Partner bescheinigen ihren ÖPP-Hochbauprojekten nicht nur eine hohe Termin- und Kostensicherheit, sondern auch einen verlässlichen Betrieb mit hoher Qualität", frohlockte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, im Oktober 2016 auf der Berliner Konferenz "Partnerschaftlich bauen und betreiben". Das Eigenlob des Funktionärs bezog sich auf eine Studie der Technischen Universität Braunschweig. Die Wissenschaftler hatten bei allen öffentlichen Auftraggebern die Leistungen der privaten Partner in der Bau- und Nutzungsphase abgefragt – und zwar im Auftrag des Hauptverbands. Demnach wurden 90 Prozent der Vorhaben im Zeit- und Kostenrahmen fertiggestellt, und gute Noten bekamen die Partner auch für die Betriebsphase.
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KF B
am 28.11.2017