"Sie macht des net", sagte der Ehemann
Es ist noch nicht so lange her, da ist Bernhard Bundschuh losgezogen, um in einer jungen Familie eine Frau zu gewinnen, "eine, die sichtbar ist," sagt er ankerkennend — und ist mit deren Ehemann auf der Liste heimgekommen. Sie macht des net, aber ich mach's, habe der gesagt. Da war der alte Lehrer schon ein bisschen verblüfft. Kommentiert hat er das männliche Machtwort nicht.
Auch Bürgermeister Christian Kremer hält sich zurück. Erzählt lieber von seinen zwei Töchtern und der Hochzeitslocation, die er kürzlich besichtigt hat, eine heiratet, er freut sich drauf. Überhaupt sei er familiär von drei Frauen umgeben, "nein, vier, die Katze ist auch weiblich". Keine Frauen auf der Liste? Für die nächsten fünf Jahre? "Als Verwaltungschef muss ich neutral bleiben." Von einem demokratisch gewählten Bürgermeister allerdings hätte man schon ein klareres Wort erwartet und mehr Initiative in Sachen Gleichberechtigung.
Am vergangenen Freitag hat Ferdinand Eck die frauenfreie Bürgerliste abgegeben. "Das gefällt mir net, aber ich kann nicht die Welt verändern", sagt er. Und zieht an seiner Zigarette, draußen im stürmischen Regen, mit Blick auf den Rosengarten, wo im Sommer die Konzerte stattfinden. Einem ehemaligen Stabsoffizier macht das bisschen Wetter nichts aus, früher, bevor er sich im Versicherungsgeschäft selbständig gemacht hat, habe er Rekruten ausgebildet, keine Frauen dabei damals, und an eine Verteidigungsministerin musste er sich auch erst gewöhnen. Schlimmer findet er, dass die Bundeswehr kein Geld bekommt und von "drei Hubschraubern nur einer abhebt". Nein, an den Männern im Gemeinderat kann's nicht gelegen haben, damals, vor Jahren, als noch eine oder zwei Frauen im Sitzungssaal saßen, "wir waren doch immer nett zu den Frauen, gell Bernhard?" Nicken, verschwörerisches Lächeln.
Ex-Gemeinderätinnnen in der außerparlamentarischen Opposition
Das sehen die drei Frauen im Medien- und Kulturzentrum etwas anders. Sie alle saßen schon im Boxberger Gemeinderat, sie erinnern sich an das Augenrollen, wenn sie mal wieder die Öffnungszeiten im Kindergarten ansprachen oder eine Sozialarbeiterin fürs Kulturzentrum forderten, während die Männer lieber über den Ausbau der Boxberger Hauptstraße oder den Zaun um den Bauhof reden wollten. "Wir reden anders über Themen und wir setzen andere Schwerpunkte", sagt Vera Herzog, 54, drei Kinder, seit 18 Jahren in Boxberg, fünf Jahre Gemeinderat. "Offene Ganztagsschule? Im Gemeinderat sagten sie: Brauchen wir net", sagt Ilona Wild, 52, Chefin des Medien- und Kulturzentrums, acht Jahre Gemeinderat. Mittagsessen, Ferienbetreuung, Hausaufgaben - jetzt hat sie es im stadteigenen Zentrum durchgezogen.
Vera Herzog und Ilona Wild haben sich für die außerparlamentarische Opposition in Boxberg entschieden. Wild managt das Kulturhaus, sie haben den Verein Akzente gegründet, der sich um die Mobilität in Boxberg mit seinen 13 Ortsteilen kümmert, schauen, dass der einzige Bücherladen in Boxberg, die Bücherecke, ehrenamtlich betreut wird.
Draußen will der Märzregen in Schnee übergehen. Tropfenden Schirme stehen als bunte Farbkleckse in der Ecke. Drinnen sitzen die Frauen um den Tisch neben der Kaffeemaschine, Ilona Wild springt immer wieder auf, um einem Besucher zu helfen. Sie reden sich in Rage, freuen sich über ihre Erfolge, ärgern sich über gönnerhaftes Männerlächeln, Machosprüche und Augenrollen, lachen. Und sind sich keineswegs immer einig. Vor allem bei der Ursachenforschung. "Männer bekommen eher Anerkennung", sagt Wild. "Frauen unterstützen Männer eher als andersrum", sagt Herzog. "Mein Mann unterstützt mich", widerspricht die dritte im Bunde: Karin Körner, 48, Ortsvorsteherin von Kupprichhausen, auch Kuba genannt, zwei Kinder und in vielen Vereinen aktiv, kurze Haare ("Ich lass jetzt das Grau stehen"), bodenständig. Lachend erzählt sie, wie ihr Mann, wenn sie abends mal wieder bei der Versammlung des Turnvereins war oder am Wochenende beim Feuerwehrfest, schon mal sagt: "Du bist die OV (Ortsvorsteherin), ich bin der OD (Oberdepp)". Dieser Ehemann nimmt seine Nebenrolle mit Humor. Das ist nicht nur in Boxberg die Ausnahme.
2 Kommentare verfügbar
Blender
am 04.01.2020