Alle reden von Integration, und viele meinen nur Anpassung. Alle beschwören Toleranz, und viele meinen nur die anderen. Im ganzen Land gibt es runde Tische, Integrationsbeiräte auf Landes-, Bundes- und kommunaler Ebene. Doch im Alltag tun sich nicht nur erzkatholische Schwaben wie die Schwäbisch Gmünder schwer mit den islamischen Nachbarn. Vor allem, wenn die eine eigene Moschee bauen. Dann sehen viele den Untergang des Abendlandes heraufdämmern und den türkischen Halbmond über Deutschland aufgehen.
Dabei hat keiner etwas gegen Türken, natürlich nicht. Auch nicht gegen deren Gebetshäuser und religiöse Riten, woher auch. Aber unauffällig sollen sie bleiben. Eine Moschee in der beschaulichen schwäbischen Stauferstadt Schwäbisch Gmünd, die vor christlichen Gotteshäusern, Klöstern, Wallfahrtskirchen und Mariensäulen nur so wimmelt? Da sei Gott vor. Das beweisen die Leserbriefe im Jahr 2006, als es um die Baugenehmigung der Didip-Moschee ging. Das zeigen zwölf Jahre später die kleinen Seitenhiebe, selbst beim Stauferjubiläum.
Inzwischen bauen die rund 3000 türkischen Gmünder ihre Moschee. Sie ist nicht so martialisch, wie wir das auf unserem Aufmacherbild darstellen, in dem wir die Blaue Moschee in Istanbul auf den Schwäbisch Gmünder Marktplatz versetzten. Diese Montage visualisiert eher die Ängste, die im erzkatholischen Schwäbisch Gmünd auch drei Jahre nach Baubeginn noch mit Händen zu greifen sind. Und die Vorurteile und das Misstrauen, die die Türken und ihren Moscheebau begleiten. Es gibt eine neurotische Erregbarkeit beim Thema Islam. Nicht nur in Schwäbisch Gmünd.
Es geht nicht darum, wegzuschauen, wenn Salafisten in der Fußgängerzone den Koran verteilen oder wenn Extremisten missionieren wollen. Es geht im Gegenteil darum, genau hinzusehen. Und zwar direkt vor Ort. Etwa in Schwäbisch Gmünd. Und vor allem: auch bei sich selbst. Toleranz beweist sich nicht an runden Tischen.
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