Als die Kontext-Wochenzeitung 2022 ihren elften Geburtstag feierte, reisten Edzard und Helga Reuter, hochbetagt, eigens ins Theaterhaus an, um mitzufeiern. Ehrenplätze in der ersten Reihe waren ihnen sicher, denn Edzard Reuter war Beiratsvorsitzender des Vereins, der Kontext trägt. Nun ist er im Alter von 96 Jahren gestorben. Reuter war ein langjähriger Freund von Kontext-Mitgründer Josef-Otto Freudenreich, der für diese Ausgabe einen persönlichen Nachruf auf den ehemaligen Daimler-Chef niedergeschrieben hat.
Noppers großer Auftritt
Das war mit Sicherheit eine ganz besondere Stunde für Frank Nopper. Der Ausschnitt aus einer SWR-Doku mit dem Auftritt des Stuttgarter Oberbürgermeisters machte einmal die Runde durch die Landeshauptstadt und nochmal zurück, weil's halt so hübsch ist. Dabei fängt die Doku "Amt am Limit – Der Staat vor dem Kollaps?" nur wenig lustig an: Es geht um Behördenversagen, um Leute, die ewig warten auf einen Termin bei der Zulassungsbehörde oder auf dem Ausländeramt. Auch Stuttgart kommt vor. Nach etwa einer Stunde und 15 Minuten geht es um Bauanträge und Digitalisierung im Stuttgarter Rathaus, was dort nicht gut funktioniert. Die Reporterin fragt den OB, woran das liegt, der redet sich heraus, kommt ins Schwimmen, beleidigt die Fragestellerin, um im weiteren Verlauf des Interviews völlig die Fassung zu verlieren. Nachzuschauen hier.
Sexismuspreis für Andreas Renner
Nicht fürs Ausrasten, aber für ebenfalls fragwürdiges Verhalten hat Nopper im vergangenen Jahr einen Preis bekommen: den Goldenen Gaul 2023. Der Negativpreis für den größten Sexisten der Stadt, ins Leben gerufen von einem Zusammenschluss feministischer Gruppen aus Stuttgart, wurde am vergangenen Samstag zum zweiten Mal verliehen. Gewonnen hat diesmal Andreas Renner. Genau, der ehemalige Inspekteur der Polizei in Baden-Württemberg, der wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung einer Kommissarin vor Gericht stand, ehe er aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Und der Kontext verklagt hat wegen eines Begriffs, der ihm und seiner Frau nicht gepasst hat.
Leerstand seit Jahren
"Traum und Albtraum Wohnen" hieß der Artikel, in dem wir 2018 dem Leerstand in Stuttgart nachgegangen sind. Kontext-Redakteur Korbinian Strohhuber hat für diese Ausgabe, sechs Jahre später, unter anderem die selben Immobilien noch einmal besucht, um nachzusehen, wo sich etwas getan hat. Mit erschreckendem Ergebnis: nur zwei Immobilien haben sich seitdem verändert. Bei anderen ist nur das Gebüsch um den Leerstand herum verschwunden.
Rechtsextreme in Ludwigsburg
Am 30. November, so berichtet die "Stuttgarter Zeitung", veranstaltet die rechtsextreme Gruppe Reconquista 21 den "Schwabenkongress" in Ludwigsburg, ein "patriotisches Vernetzungstreffen" in der Stadt des BlüBa, des Blühenden Barock. Offenbar, so schreibt die Zeitung, ist das Treffen ein direkter Nachfolger des Geheimtreffens von Potsdam, dessen Bekanntwerden vor einigen Monaten Hunderttausende Menschen gegen Hass und Hetze auf die Straße getrieben hat. Auch das war aber, so schreibt es die "Augsburger Allgemeine", nicht das erste dieser Art. Vielmehr hatte zwei Wochen zuvor die rechtsextreme Identitäre Bewegung schon zum "Schwabenkongress" ins bayerische Dasing eingeladen. Mit dabei: Martin Sellner, der Österreicher, der es geschafft hat, das Wort "Remigration" so im deutschen Sprachschatz zu verankern, dass viele nicht einmal mehr Anführungszeichen drumherum setzen. Der Autor des Artikels in der StZ, Emanuel Hege, fragt unterdessen, wo eigentlich der Aufschrei bleibt? Der Kontrast zwischen den vielen lauten Demos nach dem Potsdam-Treffen und der aktuellen Stille sei befremdlich, schreibt er. Da hat er recht. Aber seit Potsdam ist eine Menge Wasser den Bach runtergeflossen und die Rhetorik der politischen Debatten bedenklich nach rechts gerückt. Mittlerweile sind sich fast alle Parteien einig, dass Flucht bekämpft werden muss. Und die Brandmauer ist sowieso Geschichte.
Da zitieren wir doch gerne Edzard Reuter aus seinem letzten Buch "Eingemischt!" von 2015: "Nie wieder? Halsstarrig rate ich dazu, den Anfängen zu wehren – und besonders denjenigen Anfängen, die uns braune Rattenfänger als Abkehr von vermeintlichen Irrwegen und als Wiederherstellung einer idyllischen Vergangenheit schon wieder anbieten."
1 Kommentar verfügbar
gerhard manthey
am 30.10.2024Eine einfache und gute Neuerung, das Editorial mit Überschriften zu versehen. Es wird lesbarer. Vielleicht ist es einen weiteren Gedanken wert, die jeweiligen Autorinnen in gespitzter Form ihren jeweiligen Artikel im Editorial bewerben zu lassen. So als Anreißer .Gewinnt an Farbe. Danke.