Pflegeleicht war er gewiss nicht. Doch unverwechselbar. Und das nicht nur wegen seiner (sicherlich auch selbstverliebten) Gewohnheit, bei keinem seiner öffentlichen Auftritte gleichsam als Erkennungsmerkmal auf seine Fliege zu verzichten – sondern viel mehr, weil mit ihm eine Persönlichkeit ihre Meinung zu äußern pflegte, wie sie sich heutzutage auf dem breiten Feld der demokratischen Politik allenfalls noch als Solitär finden lässt.
Kaum jemand hat öfter und intensiver als Peter Conradi mit seiner Partei gehadert, ja im Krach gelegen. Trotzdem hat er ihr bis zum Schluss und seit mehr als 55 Jahren treu angehört: der SPD. Nicht nur einmal haben viele seiner Weggenossen, so auch ich, ob seiner eigenwilligen Halsstarrigkeit den Kopf geschüttelt. Mehr als das: Hie und da hat er sie zur Weißglut getrieben, sie haben sich gefragt, warum sie sich das eigentlich von einem ständigen Unruhestifter wie ihm gefallen lassen sollen – oder warum er nicht von sich aus geht.
Beispiele fielen mir zur Genüge ein. So zuletzt, als er meinte, gut beraten zu sein, sich bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart öffentlich gegen die Kandidatin der eigenen Partei und für den Kandidaten einer anderen Partei auszusprechen. Ein weiteres Mal im Zusammenhang mit der ominösen "Agenda 2010" eines eher nassforschen Bundeskanzlers, als er verkündete, fortan seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, und zwar so lange, bis die Partei wieder zur Vernunft – sprich: der seinen – zurückgekehrt sei.
Aus dem Wege ging er jedenfalls keinem Streit. Nicht nur mit den eigenen Freunden, sondern noch viel lieber mit politischen Gegnern, denen er von Fall zu Fall nicht nur ihren Sachverstand, sondern auch ihr soziales Engagement oder gar ihr Verantwortungsbewusstsein abzusprechen pflegte. In dieser Hinsicht war er ein in der Wolle gefärbter Architekt, tief davon überzeugt , dass Bauen mehr sein muss als die Befriedigung der Profitinteressen von sogenannten Investoren, dass Bauen ohne das Bewusstsein der damit verbundenen Verantwortung für das gemeine Wohl seinen Namen nicht verdient. Zum Bannerträger dieser existenziellen Verpflichtung wurde er schließlich, von den einen hochgeschätzt, von den anderen hämisch herabgesetzt, während der Auseinandersetzung um Stuttgart 21.
2 Kommentare verfügbar
Peter Boettel
am 16.03.2016Ich hatte vorher gehofft, ihn beim nächsten Treffen der SPD-Mitglieder gegen S21 wieder zu sehen. Seine Analysen und Stellungnahmen…