Gerlinde Kretschmann klatscht minutenlang wie ein Honigkuchenpferdle mit roten Bäckchen, als sie bei der Schalte auf die Grünen-Sause neben ihrem Mann steht. Doch länderübergreifend werden sich in den folgenden vier Stunden TV-Wahlberichterstattung nur die AfDler freuen. "Ihr habt zu Recht geklatscht und die Grünen zur stärksten Kraft gemacht", sagt Winfried Kretschmann, als er endlich zu Wort kommt. Gerlinde Kretschmann wird's ganz heiß, weg mit dem Schal. Eine Regiestimme aus dem ARD-Off erklärt den verblüfften ZuschauerInnen, dass sie "komplett auf der anderen Seite des Raumes stehe" – Tonprobleme. Schnitt zu Brigitta Weber ins Studio Mainz, die "Frau, äh, tschuldigung, Herrn Petry" von den rheinland-pfälzischen Grünen ein Statement abringen will. Webers Versprecher kommt nicht von ungefähr. Als die AfD um 18.35 Uhr in Baden-Württemberg 13,1 Prozent hat, prägen manisch-fröhliche Rechtspopulisten das Bild des Wahlabends. Weitergezappt.
Carglass repariert auch in der Wahlnacht
Während sich Guido Wolf (CDU) auf n-tv mit seinem abendprägenden "Grün-Rot ist abgewählt"-Mantra die Wahlschlappe schönredet, brüllt der AfD-Spitzenkanditat André Poggenburg nach einem Schnitt nach Magdeburg, dass jetzt der "kleine Mittelstand" gefördert werde. Der n-tv-Moderator Heiner Bremer philosophiert derweil darüber, was Mama Merkel bloß über die abgestunkene CDU am Morgen danach sagen wird. Dann erst mal Werbung: "Carglass repariert. Carglass tauscht aus." Weitergezappt.
"Das ist das AfD-Gefühl! Endlich wieder zusammen zu stehen!", schreit Frauke Petry in einer ersten Stellungnahme auf N24 in völlig verzerrter Tonqualität. Volksempfänger-Feeling straight outta Berlin. Neben ihr steht eine diesmal nicht getortete Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch. "Stellen Sie sich nur mal vor, wo das Ergebnis gelegen wäre, wenn wir eine halbwegs sachliche Berichterstattung gehabt hätten", sagt Petry mit pochender Halsschlagader. Schnitt ins N24-Studio, wo Gastkommentator Michel Friedman auf seinen Einsatz wartet. "Die Wölfe haben ihren Schafspelz im Wahlkampf sogar ausgezogen und offen ihre menschenfeindlichen Politik propagiert", sagt das entsetzte CDU-Mitglied, das Anfang der Nullerjahre als "Paolo Pinkel" auf Koks mit Prostituierten koalierte. Schnell werden vom Moderator noch alle möglichen Landtagskoalitionen dreier Bundesländer wie auf Speed durchdekliniert, dann füllt Frauke Petry mit verbissener Miene wieder das Bild: "Es ist wishful thinking von Merkel, dass die AfD nach der Migrationskrise wieder in der Versenkung verschwindet." Weitergezappt.
Auf Phoenix werden André Poggenburgs Freudenschreie auf Gebärdensprache übersetzt. Im Kopfkino schleicht sich die Fantasie ein, dass der wild gestikulierenden Gebärdensprecherin die Mittelfinger entgleisen. Weitergezappt.
Auf Euronews, CNN, Aljazeera, Russia Today und dem türkischen Sender TRT kümmert man sich wenig um die drei Landtagswahlen. Während das deutsche Fernsehen petrysiert ist, gibt es andernorts größere Probleme. "Breaking News" zu den Terroranschlägen an der Elfenbeinküste und in Ankara beherrschen das Programm. Lediglich eine durchlaufende Bauchbinde weist auf allen Sendern darauf hin, dass "Merkels Konservative in zwei von drei Landtagswahlen verlieren". Nur Euronews gönnt seinen ZuschauerInnen als einziger ausländischer Sender in der Bauchbinde noch den Zusatzhinweis, dass die Deutschen Merkel für ihre Flüchtlingspolitik bestrafen – mit einem großen Votum für die "anti-immigration alternative for germany". Weitergezappt.
"Gruselig und beschämend"
Im SWR-Studio stehen mittlerweile alle männlichen baden-württembergischen Spitzenkandidaten am Koalitions-Orakel-Tisch. Alle sichtlich gerädert, bis auf den dauergrinsenden Jörg Meuthen von der AfD. Nils Schmid bedauert mit Augenringen bis zum Boden "den bitteren Tag für die SPD". Der Kretschminator scheint nie blinzeln zu müssen und macht mit krächzender Stimmt klar, dass er mit der AfD nix zu tun haben will. Auch Guido Wolf fällt es stimmlich schwer, sein Mantra ("Grün-Rot ist abgewählt") abzuspulen. Auch wenn alle Kerle sichtlich abgeschafft sind, wird mit letzter Kraft Potenz suggeriert. Keine Wassergläser weit und breit. Kollektives Husten.
Den "Ehe-Anbahnungen" am Tisch steht Meuthen entspannt gegenüber. Zwar will niemand die AfD heiraten, doch Meuthen fantasiert sich munter in den Bundestag und freut sich auf eine "vitale Oppositionspolitik". Hans-Ulrich Rülkes erstarkte FDP wiederum ist auf dem Heiratsmarkt einigermaßen begehrt, einer Ampelkoalition erteilt der FDP-Häuptling aber gleich mal eine Absage. Auch als Kretschmann erneut ankündigt, mit ihm "reeeeden" zu wollen, bleibt Rülke hart und meidet Augenkontakt: Keine Ampel? "So ist es." Hust, räusper, hust. Schalte in die einstige SPD-Hochburg Mannheim, wo SPD-Chef Wolfang Katzmarek von "blankem Entsetzen" gepackt ist, als klar wird, dass Rüdiger Klos von der AfD ein Direktmandat erobert hat. In der SWR-Statistik kann er "leider nicht mit Bild" gezeigt werden, weil Klos dem SWR die Rechte an seinem Bild verweigerte. Vom "blanken Entsetzen" zu den "First Ladies" ins neue Schloss.
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