Was für eine Weitsicht. Die Werbeagentur, die die FDP-Kampagne 2016 verantwortet, präsentiert die Kandidaten im Groß- und Kleinformat mehrfarbig und offen nach mehreren Seiten. Nicht nur gestenreich aus dem eigenen Bild heraustretend, sondern sogar nach verschiedenen Seiten offen. Und im Internetclip keucht ein Dauerläufer durch die Natur und die Parteigeschichte, um am Ende in seinem gehobenen schwäbischen Reihenhaus den Sportdress mit einem Ministeroutfit zu wechseln und im polierten Schuhwerk durch die sich öffnende Tür in eine strahlende Zukunft zu schreiten – ganz dem Wahlslogan entsprechend: "Der nächste Schritt für unser Land."
Mal sehen. Jedenfalls muss die Partei die Ampel in den Blick nehmen, wenn ihr nächster Schritt nicht zu weiteren fünf Jahren Opposition führen soll. Die Union schwächelt. Was auch der Grund dafür ist, warum die Nachbarn aus Rheinland-Pfalz keine kleine Rolle in den Überlegungen von Grünen, Roten und Gelben zwischen Main und Bodensee spielen. Noch im Herbst durfte die in Berlin schon als kommende Kanzleraspirantin gehandelte Julia Klöckner mit einer stabilen Mehrheit aus CDU und FDP rechnen. Letztere, derzeit im Mainzer Landtag gar nicht vertreten, muss inzwischen wieder um den Einzug ins Parlament bangen. Und Erstere ist eingebrochen. Deshalb würde es würde gar nicht reichen für Schwarz-Gelb, wäre die Wahl bereits am kommenden Sonntag.
Kürzlich, beim Neujahrsempfang der baden-württembergischen Landesregierung in Brüssel, erzählten Eingeweihte, dass der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner, selber Fraktionschef im Landtag von NRW, vor der Bundestagswahl 2017 etwas beweisen will: wenigstens in einem Land Regierungsfähigkeit, auf dem Weg heraus aus der Berliner Bedeutungslosigkeit. "Wenn es in Rheinland-Pfalz nicht reicht", so die Losung, "dann eben in Baden-Württemberg."
Die FDP – nach allen Seiten offen
Auf eine entsprechende Frage der Zeitung mit den großen Buchstaben antwortete Lindner sibyllinisch. Seine Partei wolle einen "Politikwechsel". Der Kurs von Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik müsse korrigiert, das Bildungssystem modernisiert, die Bürgerrechte geachtet und die Wirtschaftskraft gestärkt werden. Er könne sich nicht vorstellen, "dass SPD und Grüne unsere Ziele teilen". Selbst bei der CDU sei er aber nicht sicher. Da ist sie wieder, diese Offenheit der baden-württembergischen Plakate, die sich zu allem Überfluss selbst in der aktuellen Demoskopie widerspiegelt: Erstaunlicherweise ist noch immer fast die Hälfte der FDP-Anhängerschaft zufrieden mit der grün-roten Landesregierung. Und exakt jeder Zweite würde Winfried Kretschmann direkt zum Ministerpräsidenten wählen.
6 Kommentare verfügbar
DerStuttgarter
am 15.02.2016Ob den CDU-Mehrheitsbeschaffer und K.O.-Litionär (wieder) jemand braucht, wird sich noch zeigen. Es gibt ja genug andere willige "Bräute" im Landtag...