In unseren Reformvorschlägen im Brief an die Verantwortlichen steht ganz an der Spitze, dass wir es begrüßen würden, wenn die Gesellschaft DB Netz und Infrastruktur nicht renditeorientiert wie in einer Aktiengesellschaft geführt wird, sondern als öffentliches Unternehmen mit dem Auftrag, im Interesse der Öffentlichkeit, des öffentlichen Verkehrs und des Gemeinwohls, das Netz optimal zu pflegen und zu betreiben, so dass möglichst viel Verkehr darauf stattfinden kann, von unterschiedlichen Betreibern. Guter Verkehr, pünktlicher Verkehr, und das in der ganzen Komplexität.
Noch einmal zu Mehdorn: War er wirklich der, von dem alles Schlechte ausging?
Vieles hat früher angefangen, aber seine Zeit als Bahnchef war schon der Tiefpunkt der Deutschen Bahn. Und es war einer meiner größten Erfolgserlebnisse, als es am Ende gelungen ist, dass er gehen musste und der Börsengang abgesagt wurde. Da haben einige, zum Beispiel Hermann Scheer, daran mitgewirkt, unter anderem auch ich im Verkehrsausschuss des Bundestages. Aber das ist Geschichte, mir geht es jetzt um das Grundsätzliche. Was ich mit dieser Redundanz und Resilienz...
...also dem Vorhandensein funktional gleicher Ressourcen und der Fähigkeit, bei Teil-Ausfällen nicht vollständig zu versagen...
...gemeint habe: Wenn man nur eine Schiene hat, die im Gegenverkehr betrieben wird, dann ist das System nicht tauglich. Man braucht Weichen und Ausweichmöglichkeiten. Wenn man die alle abbaut, dann übertragen sich Fehler. Und auch dann, wenn man das Personal so abbaut, dass, wenn zwei Leute krank sind, gleich zwei Züge ausfallen. Früher gab es Springer, die waren nur dafür da, um in solchen Fällen einzuspringen. Wir im Verkehrsministerium steuern gerade dagegen, indem wir nachträglich zusätzliche Züge für den Nahverkehr kaufen und die Kapazität noch erhöhen, dass wir Reserven mit aufbauen oder dass wir jetzt über die Landesgesellschaft überproportional viele Zugbegleiter und Lokomotivführer ausbilden, damit, wenn die Bahn oder andere Unternehmen knapp sind, diese sich bei uns leihen können.
Würde es der Bahn besser gehen, wenn sie, wie bis vor 25 Jahren, nicht als AG organisiert wäre, sondern als Staatsunternehmen?
Nein. Man kann an den Schweizer Bundesbahnen sehen, die auch als AG geführt werden, dass das hervorragend funktionieren kann.
Was machen die Schweizer anders?
Dort ist sich jeder Manager bewusst, dass er nicht in einer irgendwie gearteten renditeorientierten Aktiengesellschaft arbeitet, sondern bei den Schweizer Bundesbahnen. Er ist sich bewusst, dass er im Auftrag der Eidgenossenschaft unterwegs ist, und dass er dem Wohl des Fahrgastes und einem guten Zugverkehr dienen muss. Und in der Schweiz gibt es auch eine politische Kontrolle, die klare politische Vorgaben macht, was das Management mit dem Budget erreichen soll. Also zum Beispiel: Wir wollen, dass jeder Ort in einem Halbstundentakt erreicht wird. Und da kommt es nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern dass die Knoten stimmen, die Andockzüge stimmen, die Vertaktung insgesamt. Die Schweizer sagen: Was nützt es, wenn du schnell fährst, wenn dann der Anschluss nicht stimmt? Und sie überlegen: Wo muss ich wie viel investieren, damit ich wirklich einen Vorteil habe?
Diese Überlegungen fehlen bei der DB?
Bei uns dagegen wurde und wird mit Großprojekten für den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf einer Linie Infrastruktur geplant. Also sprich: man beschleunigt durch Hochgeschwindigkeitsmaßnahmen von einer Großstadt zur anderen, aber wie das dann zu dem Rest des Netzes passt, das muss sich dann halt danach ausrichten. So würde man in der Schweiz nie planen.
Das heißt, allein schon die politischen Vorgaben, vom Bundesverkehrsministerium, müssten andere sein?
Ja, die politischen Vorgaben und die politische Kontrolle von Zielen müssten gegeben sein, und natürlich die Wirtschaftlichkeit. Denn das muss man schon sagen: Die alte deutsche Staatsbahn war natürlich nicht wirtschaftlich. Ich unterscheide aber zwischen wirtschaftlich und renditeorientiert: Auch ein öffentliches Unternehmen muss wirtschaftlich arbeiten, sollte tunlichst keine Bürokratismen haben oder Leerläufe. Die Bahnreform bei uns hatte aus meiner Sicht ja auch zwei große Vorteile. Der wichtigste ist, dass seit 1996 die Bundesländer zuständig sind für die Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs, und das ist der Bereich, der am meisten Zuwachs hat, am besten funktioniert und modernisiert ist. Und dann sehe ich es auch als Vorteil, dass eine Kultur der Wirtschaftlichkeit eingeführt worden ist. Dass man schon - zumindest immer wieder - die Philosophie hatte, dass der Fahrgast ein Gast ist und kein Beförderungsfall. Also, dass man die Menschen im Zug ernst nimmt als gute Kunden und als wertvolle Mitarbeiter. Die Schaffner früher waren ja fast Amtspersonen. Das würde heute alles so nicht mehr funktionieren.
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Andreas Spreer
am 06.01.2019