Ob es in den vergangenen Jahrzehnten einen vergleichbar schwerwiegenden Schaden an der Schieneninfrastruktur gab wie den in Rastatt, beantwortet die Deutsche-Bahn AG auf Kontext-Nachfrage nicht. Fest jedenfalls steht: Bei der Beinahe-Eisenbahnkatastrophe von Rastatt haben Bahn, Staatsanwaltschaft und Politik auf drei Ebenen versagt.
Erstens: Die Deutsche Bahn (DB) wählte ein höchst problematisches Bauverfahren, das darüberhinaus ohne Zwang bei vollem Eisenbahnbetrieb ausgeführt wurde.
Zweitens: Es gab nicht, wie fünf Wochen lang von der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium behauptet, ein plötzliches "Schadensereignis", dem eine sofortige Streckensperrung durch die DB folgte. Vielmehr senkte sich der Boden im Bereich der Tunnelarbeiten über einen längeren Zeitraum hinweg. Vor allem fuhren nach dem eigentlichen Tunneleinbruch noch 16 Minuten lang mehrere Züge über die Gefahrenstelle.
Drittens: Die Tatsache, dass die Bundespolizei, die Staatsanwaltschaft, das Eisenbahnbundesamt beziehungsweise die Bundesstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung (BEU) keine Sicherung des Unfallortes und keine erste Unfalluntersuchung einleiteten, ist skandalös. Auf diese Weise konnten die Verantwortlichen (DB AG und die in der "Arge Tunnel Rastatt" zusammengefassten Bauunternehmen) Beweismittel beseitigen und eine unabhängige Untersuchung des Vorgangs extrem erschweren.
Riskantes Bauverfahren
Die Bahn und die ausführenden Baufirmen entschieden sich bei der erforderlichen Unterfahrung der Bestandsstrecke im Rastatter Stadtteil Niederbühl für ein einzigartiges Verfahren: Auf einer Länge von 205 Metern wurde der den Tunnel umgebende Erdboden mithilfe eines ringförmigen Vereisungskörpers stabilisiert. Die nach dem Rastatt-Fiasko vielfach seitens der DB vorgetragenen Behauptungen, das Verfahren sei "erprobt", werden von der DB selbst widerlegt. In der "SWR Aktuell"-Sendung vom 3. August führte der DB-Bauingenieur Frank Roser aus, das gewählte Verfahren sei "insofern einzigartig [...], dass eine Unterfahrung einer im Betrieb befindlichen Eisenbahnstrecke mit einer Tunnelvortriebsmaschine im Eiszylinder meines Wissens noch nie irgendwo in Deutschland bewerkstelligt wurde." In einer Pressemitteilung der DB vom 24. Mai wird diese Unterfahrung ebenfalls als eine "ganz besondere Herausforderung" bezeichnet.
10 Kommentare verfügbar
K. Schreiber
am 08.11.2017Es war sehr erhellend, was Sie beide zur Sache kommentier haben!