Der Zeuge zeigt sich in Gönnerlaune. Eigentlich soll Reinhard Rudolf Kiefer nur beantworten, was es mit seinen früheren Aussagen auf sich hat, nach denen sich beim Polizistenmord von Heilbronn Geheimdienste und Islamisten auf der Theresienwiese befunden hätten. Doch der Mann im Wollpulli tritt an, den gesamten Komplex aufzuklären. Er lässt die Abgeordneten wissen, dass ihre bisherigen Ermittlungen im Grunde völlig wertlos seien, er könne das besser. Denn nach seinen eigenen, intensiven Recherchen sei er zu der Erkenntnis gelangt – er räuspert sich pathetisch –, dass der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und der versuchte Mord an ihrem Kollegen Martin A. am 24. April 2007 höchstwahrscheinlich "nicht auf das Konto des NSU" gingen.
Es ist der zweite Auftritt des 59-Jährigen. <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik fragen-wie-beim-kaffeekraenzchen-3941.html internal-link-new-window>Bereits am 19. Oktober 2016 befragte der Ausschuss Kiefer als Zeugen. Seit Anfang Juli dieses Jahres ist er zudem parlamentarischer Berater der AfD-Abgeordneten Christina Baum, die dem Gremium ebenfalls angehört. Der gelernte Betriebswirt hat als Quereinsteiger knapp acht Jahre beim US-amerikanischen Geheimdienst Military Intelligence gearbeitet und ist 2009 von seinem ehemaligen Arbeitgeber in Zwietracht geschieden. Angestellt war er im Bereich der Spionageabwehr, er ermittelte jedoch nach eigener Aussage, ohne dass er dafür einen Auftrag seines Arbeitgebers gehabt hätte, auch gegen die islamistische Sauerlandgruppe, deren Hauptmitglieder im März 2010 jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
Von seinen Hinweisen will er nichts mehr wissen
Im November 2011 – nur wenige Tage, nachdem der Polizistenmord öffentlich dem NSU zugerechnet wurde – habe sich Kiefer, wie ihm der Vorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) in der 13. Auschusssitzung vorhält, telefonisch beim Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet und dort erklärt, beim Mord an Kiesewetter könne die Sauerlandgruppe beteiligt gewesen sein. Deren Mitglied Mevlüt Kar, ein mutmaßlicher Informant der CIA, solle sich nach Kiefers Angaben zum Tatzeitpunkt in Heilbronn befunden haben, um dort Zünder für Wasserstoffperoxid-Bomben an die terroristische Vereinigung zu übergeben. Gleichlautende Angaben hat Kiefer auch in polizeilichen Vernehmungen gemacht, wie BKA-Protokolle zeigen, die der Zeuge unterzeichnet hat. Vor verschiedenen Ausschüssen will er sich daran allerdings nicht erinnern und inzwischen vermutet er gar, die Polizei wolle ihm womöglich etwas unterjubeln. "Wäre ja nicht das erste Mal."
Als Hinweisgeber ist der Zeuge hauptverantwortlich dafür, dass der Polizistenmord von Heilbronn auf Vernetzungen zur islamistischen Szene überprüft wurde und wird. Die Auswertung von Telekommunikationsdaten hatte in dieser Hinsicht tatsächlich zwei verdächtige Telefonnummern zutage gefördert. Bislang konnte der Untersuchungsausschuss jedoch, trotz mehrerer Sitzungen, die sich des Themas annahmen, keine Belege für eine Beteiligung der Sauerlandgruppe finden. Wie ein Kriminalhauptkommissar des BKA am vergangenen Freitag (22.09.) vor dem Gremium aussagte, gebe es aus Sicht der Sicherheitsbehörden dafür "keinen greifbaren Ermittlungsansatz".
Einen solchen konnte auch Daniel S., Mitglied der Sauerlandgruppe, nicht liefern, der am gleichen Tag ebenfalls vernommen wurde. Der verurteilte Terrorist, ein konvertierter Ex-Katholik, redete zwar in aller Offenheit darüber, wie er bei seiner Kampfausbildung in Pakistan den Umgang mit Kalaschnikows, Panzerfäusten und anderen Schusswaffen lernte, und mit einem Bombenanschlag die US-amerikanische Ramstein Air Base in die Luft sprengen wollte. Bezüglich der Sauerlandgruppe sei ihm jedoch "keinerlei Berührungspunkt zu Kiesewetter bekannt" und er bezeichnete es, erstaunlich eloquent, als "relativ absurd, hier einen Zusammenhang zu konstruieren, weil nicht jede Koinzidenz einen Kausalität begründen" müsse.
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Rolf Steiner
am 27.09.2017