Mehr als zehn Jahre sind vergangen seit der brutalen Tat auf der Heilbronner Theresienwiese. Bisher ist die offizielle Version des Hergangs aus der Sicht der verantwortlichen Behörden durch nichts zu erschüttern. Gestützt wird dies auch durch Fakten: Auf der nach dem Auffliegen des NSU in der Zwickauer Wohnung gefundenen grauen Jogginghose von Uwe Mundlos ist das Blut der Polizistin. Am Ende des aufwändig produzierten Bekenner-Videos, in dem "Paulchen Panther" durch die Horrorgeschichte der neun Morde an Einwanderern führen muss, ist eine der in Heilbronn erbeuteten Waffen zu sehen. Trotzdem nähren immer neue Details die These, der Mord und der Mordversuch an Kiesewetters Kollegen Martin Arnold könnten ganz andere Hintergründe oder die Täter zumindest Mittäter gehabt haben.
Der erste Stuttgarter Untersuchungsausschuss hat dem zweiten einen umfangreichen Aufgabenkatalog mitgegeben. Unter anderem solle herausgefunden werden, ob sich Personen aus Baden-Württembergs rechtsextremem und rechtsradikalem Spektrum "an den Taten der Terrorgruppe beteiligt oder diese unterstützt haben". Dabei sei zu berücksichtigen, ob Personen "aus diesem Umfeld als Hinweisgeber auf die Tatgelegenheit, als Unterschlupfgeber, als Unterstützer am Tatort oder in sonstiger Weise beteiligt waren". Und in seinem Abschlussbericht hat der erste Ausschuss ausdrücklich Lücken in der Aufklärung benannt, nicht nur rund um die Auswertung, welche Handynummern vor Ort in den Funkzellen eingeloggt waren.
Reger Verkehr auf der Heilbronner Theresienwiese
Neue Unterlagen, die dem "stern" und "Report Mainz" zugespielt wurden, "legen den Verdacht nahe", wie die Autoren des Hamburger Magazins schreiben, dass "womöglich Kontaktleute der 'Sauerland'-Terroristen in der Nähe gewesen sein könnten". Die Sauerland-Gruppe verstand sich als deutsche Islamisten-Zelle, drei Mitglieder wurden im September 2007 im Sauerland verhaftet. Eine Handynummer, so der "stern" weiter, führe in die Ulmer Dschihadistenszene: "Doch keine dieser Spuren wurde weiterverfolgt."
Rainer Nübel, Mitautor der Geschichte, hatte sich als Sachverständiger im ersten Ausschuss bereits mit der Auswertung der Funkzellendaten befasst und beschrieben, wie Daten vom Tattag zwischen 13 und 14 Uhr 30 mit Blick auf Verbindungen zur osteuropäischen organisierten Kriminalität überprüft wurden. Und er hatte erfahren, dass die zuständige Europol damals anregte, "ob man nicht auch Europol die Handydaten vor 13 Uhr übermitteln sollte, da das Polizeifahrzeug am Vormittag schon einmal auf der Theresienwiese gewesen war". Das sei nach seinem Aktenstudium, "eher abgelehnt worden", so Nübel, der dem Ausschuss empfahl, dieser Frage nachzugehen. Schon im Februar 2015 verwies er zugleich auf die Anwesenheit zumindest eines Islamisten am Tatort, weil dies das Landeskriminalamt 2011 im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags "endlich bestätigt" habe. "Wenn es hier tatsächlich einen islamistischen Hintergrund gibt, dann muss man die Frage stellen: Wo ist die Verbindung?", so der Kriminologe Thomas Feltes kürzlich im "Report-Interview". Vielleicht gehe es "sogar um eine Form von Kooperation". Das wiederum "würde natürlich alles sprengen zu dem, was wir bisher angenommen haben und auch gedacht haben, und allein um das auszuräumen, muss man dieser Spur nachgehen".
1 Kommentar verfügbar
Marla V.
am 20.07.2017.... Rechtsanwalt Thomas Bliwier, der die Familie des NSU-Opfers Halit Yozgat vertritt, knapp und richtig als „vom Verfassungsschutz betreute Morde“
https://www.rubikon.news/artikel/die-aufklarung-des-nsu-vs-komplexes-steigert-sich-zum-possenspiel
"Es gibt einen „internen“…