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Tu was!

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Wir sollten es mit Bertolt Brecht halten, wenn es gegen rechts geht, sagt unser Autor. Zorn und Unzufriedenheit allein genügen nicht. Sie müssen praktische Folgen haben.

Wie es womöglich nicht der Zufall will: Als mich am vergangenen Samstag die Bitte der Kontext-Redaktion erreichte, mich mit dem Thema "Tun wir zu wenig?" zu beschäftigen, war ich gerade im Stuttgarter Hospitalhof bei der Tagung "Rechtspopulismus – Herausforderung für die Demokratie". Gleichzeitig kündigte die Initiative Die Anstifter eine Diskussion im Württembergischen Kunstverein über die Frage an: "Müssen wir mehr tun?"

Vier Jahrzehnte nach dem legendären "Tunix"-Kongress 1978 in Berlin, der unter anderem zur Gründung der taz und der Grünen inspirierte, sehen sich Aufrechte mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: "Tu was!" Fast könnten wir denken, die Bedrohung von rechts, die Angriffe nationalistischer und völkischer Kräfte auf die liberale Demokratie, bringe neben den antifaschistischen Bündnissen neuerdings mehr gut versorgt besorgte Bürger auf die Beine.

Mit Reden über rechts das Gewissen beruhigen?

Als ich mir die Vorträge von Wissenschaftlern des "Populismus"-Seminars anhörte, stellte ich mir wie so oft die Frage: Wie weit stärkt die theoretische Auseinandersetzung mit dem Rechtsruck meinen Trugschluss, schon allein damit leistete ich einen Beitrag im "Kampf" gegen rechts? In Wirklichkeit, sagte ich mir, dient der Besuch von solchen Veranstaltungen auch der Beruhigung des Gewissens. Je intensiver ich mich zuletzt mit Völkischen und Nazis beschäftigt habe, desto öfter erinnerte ich mich an die Worte Brechts: "Zorn und Unzufriedenheit allein genügen nicht. Das muss praktische Folgen haben."

Die Frage nach der Praxis stellt sich immer deutlicher. Die Lektüre von immer mehr Literatur zum Thema macht einem zunächst nur erschreckend bewusst, wie gefährlich die Entwicklung ist. Wie viele Menschen immer noch schlecht informiert sind, entnehme ich der letzten Seite in Volker Weiß‘ unverzichtbarem Buch "Die autoritäre Revolte" über die Neue Rechte. In den Dankzeilen an seine Unterstützer*innen schreibt er: "Die Neue Rechte wurde in den letzten Jahren von der historischen und politologischen Forschung stark vernachlässigt. Ein Versäumnis, das sich mitunter in fatalen Fehleinschätzungen über den aggressiven Charakter dieser Strömung rächt." Besonders aufschlussreich für die Tu-was-Motivierten ist im selben Text der Satz: "Auch ich verdanke vieles Kooperationen jenseits der Universität."

Damit bin ich bei Brechts praktischen Folgen und meiner anfänglichen Orientierungslosigkeit auf der Suche nach Verbündeten, ehe ich vor ein paar Jahren per Homepage Kontakt mit dem Aktionsbündnis Stuttgart gegen rechts aufgenommen habe. Diese breitgefächerte Initiative mit antifaschistischer Haltung ist im Linken Zentrum Lilo Herrmann im Stadtteil Heslach zu Hause und vereint zahlreiche Parteien, Organisationen und Einzelpersonen. Das Spektrum reicht von Attac über Grüne Jugend und Gewerkschaften bis zur revolutionären Gruppe Zusammen Kämpfen Stuttgart. Die Altersfrage spielt in diesem von gut geschulten Menschen gelenkten Zusammenschluss keine Rolle. Und die Ausrichtung ist klar: "Wir schaffen als Bündnis eine Vernetzung, die offen sein soll für gesellschaftliche Kräfte, die dem Treiben der Rechten nicht unwidersprochen zuschauen wollen. Wir stellen eine Öffentlichkeit gegen rechte Umtriebe her. Wir organisieren Proteste und bieten eine Anlaufstelle für verschiedene Formen des Protests."

Auch auf das Land achten. Zum Beispiel auf Rems-Murr

Stuttgart gegen rechts hilft auch beim Aufbau neuer Initiativen; mit seiner Unterstützung entstand die inzwischen sehr aktive Bewegung Zusammen gegen rechts Rems-Murr, angesiedelt in einem Landkreis, der besonders stark von rechten Machenschaften betroffen ist. Ohnehin ist es zwingend notwendig, über die eher weltoffenen Milieus in größeren Städten hinauszuschauen. Was sich im weiten Land zusammenbraut, lassen wir oft – auch mit gewisser Überheblichkeit – außer Acht. Schon deshalb ist ein Bündnis wie im Rems-Murr-Kreis wichtiges Vorbild für die antifaschistische Arbeit.

Die Mitwirkung in Bündnissen mit erfahrenen Aktivist*innen befreit uns allerdings nicht davon, auch im Alltag Initiative gegen rassistische und rechtsnationalistische Umtriebe zu ergreifen. Da geht es, so lehren uns Internetforen wie Kein Bock auf Nazis, um couragiertes Handeln: Nicht wegschauen, Mund aufmachen, Aufmärsche verhindern, Nazipropaganda entsorgen usw. Weil das leichter gesagt ist als getan, bietet die bundesweite Initiative Aufstehen gegen Rassismus Coaches für Workshops im Sinne antifaschistischer Alltagsarbeit an: Ihre Stammtischkämpfer*innen kommen auf Wunsch überall hin, um weitere Leute zu informieren und auszubilden.

Bis heute aber herrschen in bürgerlichen Kreisen der sogenannten Mitte, die sich selten an ihre historischen Sünden zur Wegbereitung der Nazis erinnert, Berührungsängste und Ablehnung gegenüber antifaschistischen, antikapitalistischen Initiativen. Ewiges Anti-Antifa-Argument ist seit jeher die Wahl der Mittel, gerade so, als wolle man von der Brutalität faschistischer Banden und ihrer mörderischen Verbrechen ablenken. Die Debatte über die Verhältnismäßigkeit bei Konflikten zwischen Nazis und ihren Gegnern auf der Straße erinnert mich an ein Zitat aus dem Mafia-Film "The Untouchables", das mich trotz meiner geglätteten Ausdrucksweise hier in die Ecke gewalttätiger Rassisten stellen könnte: "Typisch Italiener, kommt mit 'nem Messer zu 'ner Schießerei."

Als Freunde und ich Ende Juni nach einer kleinen Anfrage der AfD an das Wissenschaftsministerium zu den "Staatsangehörigkeiten" von Künstler*innen an staatlichen Bühnen die Was-tun-Frage mit der Aktion "Schützt unsere Kultur vor den Rechten" im Schlossgarten beantworteten, konterten konservative und linksfeindliche Kritiker mit dem höhnischen Standard-Vorwurf, wir machten "Werbung" für die rechtsnationalistische Partei. Als sei es immer noch richtig, die Attacken der Völkischen totzuschweigen.

Der Tunnelblick auf die AfD ist grob fahrlässig

Solche Einwürfe kommen meist von Leuten, die von den verschiedenen Formen der Protestkultur wenig wissen, weil sich ihr eigenes Engagement auf Kommentare in den sozialen Medien beschränkt. Unsere kurzfristig organisierte, auch künstlerisch besetzte Aktion in Kooperation mit den Staatstheatern, Gewerkschaften und Stuttgart gegen rechts hatte das Ziel, über den seit langem geführten Kulturkampf von rechts und die gefährlichen Strategien der Neuen Rechten zur Zersetzung demokratischer Kultur auf allen Ebenen aufzuklären. Außenstehende aber betrachten Demonstrationen gern als rein agitatorische Aktionitis, die den Gegnern Aufmerksamkeit beschert. In unserem Fall bekamen die völkischen Rassisten so viel Aufmerksamkeit, dass auch die New York Times einen ausführlichen Bericht über die Vorfälle in Stuttgart und den Kulturkampf von rechts veröffentlichte. Wegen der eher überregionalen Reichweite der New Yorker Zeitung müssen wir uns vermutlich vorhalten lassen, die Stimmenanteile der AfD weltweit zu erhöhen.

Grundsätzlich ist der enge, genau genommen abwiegelnde Tunnelblick auf die AfD grob fahrlässig, weil er den rechtsextremen und -terroristischen Sumpf rund um den parlamentarischen Arm ausblendet. Immer noch ist vielen nicht bewusst, wie schnell auch kleine faschistische Einheiten Stimmungen im Land angesichts der Wut auf Mietenwahnsinn, miese Löhne oder erbärmliche Renten beeinflussen und kippen können. Auch wird viel zu wenig wahrgenommen, welche intellektuelle Macht und strategische Gerissenheit hinter den Fascho-Trupps stecken. Deshalb ist dem Schweigen der angeblich klügeren Nichtstuer tausendmal vorzuziehen, wenn, wie neulich in Kassel, 10 000 Menschen einer scheinbar läppischen Horde von 120 Rechtsextremen zeigen, dass für Nazis kein Platz ist in der Stadt. Nazis, das ist die klare Ansage antifaschistischer Initiativen, dürfen sich nirgendwo sicher und schon gar nicht willkommen fühlen.

Der couragierte investigative Fernsehreporter Arndt Ginzel freute sich in Kassel über ein "Fest der Demokratie" – und kritisierte die Behinderung der Pressefreiheit durch eine Polizei, die demnächst wahrscheinlich auch in Baden-Württemberg dank neuer, noch schärferer Gesetze der grün-schwarzen Regierung noch härter vorgehen kann. Dies allerdings darf uns nicht hindern, mit Mut zur Tat den Tu-was-Kampf in organisierten Bündnissen zu unterstützen.


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2 Kommentare verfügbar

  • Magdalena Schrade
    am 25.07.2019
    Antworten
    Jedes Mal, wenn in den USA ein Amokläufer um sich schießt, lesen wir, dort könne sich auch Jedermann eine Waffe kaufen.
    Aha - hier aber offensichtlich ebenfalls.
    Und wenn dann so ein hiesiger Waffenbesitzer auf das Grundstück eines fremden Menschen geht und ihn totschießt, weil ihm seine…
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