"Wir müssen uns nur selbst beobachten, dann wissen wir genau, worum es geht", sagt die junge Frau und blinzelt im Stuttgarter Süden in die wenig frühlingshafte Sonne. Jeder, sagt sie, kenne doch die Momente, in denen die Schrecksekunde zu lange dauert, in denen einem Gehässigkeiten im Bus oder an der Supermarkt-Kasse, im Büro, im Verein oder auf dem Kinderspielplatz die Sprache verschlagen. Celine Klotz hingegen mischt sich ein, aus Prinzip. Nicht nur, weil es ihrem Temperament entspricht ("Ich bin schon in der Schule angeeckt"), sondern weil sie "rechtem Gedankengut den Raum nicht überlassen will, nirgends und zu keiner Zeit".
Die Philosophiestudentin mit SPD-Erfahrung ist buchbar, für 90 Euro - oder in Sonderfällen auch weniger- unterweist sie Gruppen von bis zu 25 Interessierten in der guten alten Kulturtechnik der Widerrede. "Stammtischkämpfer*innen" nennt sich die Truppe, erwachsen aus dem bundesweiten Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus", das sich vor drei Jahren ausdrücklich als Gegengewicht zur AfD gegründet hat. Denn die sei "zu einer ernsthaften Gefahr geworden für all jene, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen", heißt es in dem Aufruf. Und weiter: "Wir sind viele, wir heißen Geflüchtete willkommen, wir stehen auf gegen den Rassismus von Pegida, AfD, NPD & Co, wir erheben unsere Stimmen, um in die gesellschaftlichen Debatten einzugreifen, gegen rechten Populismus, wir wenden uns gegen Obergrenzen und Grenzschließungen, die Wasser auf den Mühlen der Rassistinnen und Rassisten wären. Wir stehen für eine offene und gerechte Gesellschaft."
Der Wunsch nach grundlegend anderem Zusammensein
Bemerkenswert am Engagement der Stammtischkämpferin ist auch, wie sie eigene politischen Ideen hintenanstellt. In Wirklichkeit will sie viel mehr als eine offene und eine gerechte Gesellschaft, sie will ein grundlegend anderes Zusammenleben. Auf dem Weg dorthin, das wäre ihr Wunsch, "reflektieren wir über das System, in dem wir leben wollen", eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus führen, diskutieren über Globalisierung, Ausbeutung und wieso sich der Neoliberalismus so breit machen konnte. Vieles stellt sie zurück, weil sie "Realistin genug" sei, "um zu wissen, dass die Mehrheitsbevölkerung kein Interesse am Klassenkampf hat". Nicht einmal hier, sie schaut sich um im Szenecafé in der Tübinger Straße: "So viel Sinn für die Wirklichkeit muss sein." Und in den Seminaren gehe es ohnehin nicht um Theorie. Gesellschaftliche Debatte würden vor allem an Hand von praktischen Beispiele geführt.
Im Kampf gegen rechts mit Worten steht die Praxis im Vordergrund. Sechs Stunden wird erzählt, Erlebtes ausgetauscht, es geht um rote Linien, um Mut und Haltung, Parolen aus der rechten Ecke werden analysiert, schwachsinnige und widerliche wie: "Wir sind nicht das Sozialamt der ganzen Welt". Oder: "Es können doch nicht alle zu uns kommen." Oder: "Die bekommen alles, wir bekommen nichts." Oder: "Sie islamisieren uns."
An Gegenstrategien ist kein Mangel, und bewährt haben sie sich ebenfalls. "Es muss ja nicht gleich die ganz große Debatte geführt werden", weiß die Heilbronnerin aus Erfahrung. Ein einfaches: "Das ist rassistisch, was Sie sagen" oder: "Wie kommen Sie zu dieser Ansicht?" reiche oft schon aus, um den rechten Redefluss unterbrechen. Und vor allem, um Umstehenden zu signalisieren: "Ihr seid nicht allein mit dem, was ihr gerade denkt." Denn durch die vielen einschlägigen Berichte der StammtischkämpferInnen ziehe sich eine Lektion. "Wir, die wir auf der richtigen Seite stehen, sind immer in der Mehrheit, wir sind stärker und wir sind größer, wir müssen es uns nur gegenseitig mutig zeigen", ist Klotz sicher und leidenschaftlich, wenn es darum geht zu verdeutlichen – jetzt kommt der Klassenkampf doch zu seinem Recht – wie Flüchtlinge gegen die ausgespielt werden, denen die Gesellschaft jede Möglichkeit zum sozialen Aufstieg verweigert.
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peter nowak
am 28.05.2019