Als am 9. Februar in Karlsruhe rund 170 sogenannte Gelbwesten zum ersten Mal auf die Straße gehen, ist man sich nur über die Route einig. Vom Marktplatz soll es über den Friedrich- und Stephanplatz bis zur Reinhold-Frank-Straße und zurück gehen. Doch mit welchen Inhalten soll spaziert werden? Von allem etwas, Hauptsache gelb. Kaum ist die Demo in Gang, kommt es zum verbalen Schlagabtausch zwischen Linken und Rechten. "Internationale Solidarität" schallt gegen "nationale Solidarität". Die Polizei schreitet ein: Sie schlägt dem Veranstaltungsleiter vor, das Dutzend linker Aktivisten von der Demo zu trennen. Dieser stimmt zu. Die Rechten haben fortan die Deutungshoheit – und nutzen sie.
"Festung Europa – macht die Grenzen dicht!", ruft es zuerst aus den hinteren Reihen, ehe der halbe Demonstrationszug einstimmt. Man kennt die Parole von der rechtsextremistischen Identitären Bewegung, aber auch von Pegida. "Merkel muss weg!"-Rufe finden ebenfalls breiten Anklang. Eine Handvoll Teilnehmer skandiert mehrmals den Hooligan- und Neonazi-Slogan "Unsere Fahne, unser Land – maximaler Widerstand!". Die Personen, die leise mit einem Transparent für mehr soziale Gerechtigkeit durch die Innenstadt ziehen, gehen daneben fast unter. Ebenso die Stimme des Veranstalters Pascal Völlinger, der die Demo angemeldet hatte. Mit einem "No Nazis"-Button auf seiner Warnweste wirkt er angesichts der lautstarken rechten Parolen wie verloren. Er bittet mit dem Megafon, man solle die "Festung"-Rufe unterlassen. Vergebens.
So wie Völlinger vor der Demo gegenüber dem SWR beteuert, man sei nicht "rechtsradikal", sondern "parteineutral", so räumt er danach gegenüber den "Badischen Neuesten Nachrichten" ein: "Da haben sich zu viele extreme Positionen druntergemischt". Was der 30-Jährige mit seinem prominenten "No-Nazis"-Button aber unterschlägt: Dass er selbst neonazistische Inhalte im Internet verbreitete und er einige der rechten Lautsprecher selbst eingeladen hatte.
Gelbwesten-Organisator hörte Neonazi-Lieder in sozialem Netzwerk
Denn Recherchen belegen, dass Völlinger auf seinem Profil des sozialen Netzwerks Vk, dem russischen Pendant zu Facebook, Lieder von Neonazi-Bands teilte. Unter dem Reiter "Audiodateien" hatte Völlinger 30 Lieder gespeichert, 17 davon für eingeloggte Nutzer sichtbar. Darunter: "Arisches Kind" von Landser sowie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" von Stahlgewitter. Ersterer Song idealisiert die sogenannte arische Rasse, letzterer glorifiziert Hitlers militärische Parteigruppe. Landser wurde 2003 verboten, die Mitglieder zu Geld- und Haftstrafen verurteilt, unter anderem wegen der Bildung einer kriminelle Vereinigung sowie Volksverhetzung. Gegen Stahlgewitter wurde 2005 ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingestellt.
Durmersheim Anfang März, Spielothek am Bahnhof, Völlinger ist nervös. Doch er bestätigt die Authentizität der Inhalte. Offenbar sollten sie jedoch im Verborgenen bleiben. "Mir war nicht bewusst, dass man die Lieder sehen kann", sagt der Mann, der im Baumarktservice arbeitet. "Die Inhalte der Lieder teile ich nicht. Ich stehe dazu, dass ich mir die Titel angehört habe, aber politisch unterstütze ich das nicht", so Völlinger weiter. Es sei ihm um den "Sound" gegangen, nicht die Texte – und er kündigt an: "Ich lösche den Scheissdreck später". Kurz darauf sind die Musiktitel entfernt.
2 Kommentare verfügbar
Charlotte Rath
am 13.03.2019Hui dagegen ist, was Emmanuel Macron von sich gibt, weshalb es in Zeitungen aller 28 Länder Europas veröffentlicht wurde: “… ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft kann nur entstehen, wenn diese Grenzen…