Manuela Haußmann, groß, blondiert und stets um einen freundlichen Umgangston mit Prozessbeteiligten und vor allem den Zeugen bemüht, muss ja eine taffe Frau sein bei der Karriere und sie muss eigentlich auch Kondition haben. Trotzdem zeigt sie gern auch menschliche Regungen: Pausen beraumt sie schnell und öfter mit Hinweis darauf an, dass ihre eigene "Konzentrationsfähigkeit bereits nachlässt", und als es im Saal 18 nach einem Gewitter durch die Decke tröpfelt und ein Wassereimer aufgestellt wird, entschuldigt sie sich für "die Zustände hier".
Wer zuhören will, muss sich nackt machen
Die Zustände allerdings, die jenseits des mit Bändern abgeteilten Gerichtsbereichs bei den Prozessbesuchern herrschen, die hat Manuela Haußmann selber herbeigeführt. Wer dort sitzt, hat nicht mehr bei sich als Kleidung und Schmuck, die er am Leib trägt, seinen Personalausweis und vielleicht noch Schreibzeug. Sogar das war anfangs verboten und musste, wie alles andere auch, vor Betreten des Gerichtssaals abgegeben werden: Geldbeutel, Autoschlüssel, Hausschlüssel, Handy, Kamm, Kastanie und was einer sonst so im Hosensack hat. Einfach alles. Sogar Medikamente. Gegen ein Pfandmärkle zu übergeben nicht etwa in Schließfächer, sondern in Plastikbehälter, die stundenlang offen herumstehen – unter Bewachung von Justizwachtmeistern.
Wer diesen Prozess besuchen will, muss also viel Vertrauen aufbringen in diese Justiz. Dabei hat ebendiese Justiz seit ebendiesem Schwarzen Donnerstag allerhand Vertrauensvorschuss verloren. Vor allem bei denen, die den Tag am 30. September 2010 im Schlossgarten selber erlebt haben und seither darauf warten, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Die dabei sein wollen, wenn – endlich – mutmaßliche Täter angeklagt und vielleicht verurteilt werden. Die es deshalb auf sich nehmen, schärfer als an jedem Flughafen gefilzt zu werden und ziemlich intime Gegenstände wie Geldbeutel und Hausschlüssel uniformierten Fremden anzuvertrauen. Und die manchmal, wenn sie dann drin sind im Gerichtssaal, einen Muckser nicht bei sich behalten können, wenn wieder mal ein Polizist nichts gesehen hat, sich nicht erinnern kann oder behauptet, die Gewalt am Schwarzen Donnerstag sei von den Menschen im Park ausgegangen.
Wenn alle Freundlichkeit von der Vorsitzenden abfällt
Dann fällt alles vordergründig Freundliche von Manuela Haußmann ab. Dann wird sie so rigide, wie es ihre Verfügungen zur "Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung" im Gerichtssaal seit je her sind. Rigide und, so sehen es viele, einigermaßen lächerlich.
Das begann mit ihrer Verfügung vom 8. Mai 2014, die einzig auf der Homepage des Landgerichts veröffentlicht wurde, wonach sich Medienvertreter, die vom Prozess berichten wollten, im Zeitraum vom 21. Mai, 10 Uhr, bis zum 23. Mai, 15 Uhr, akkreditieren und damit um einen von insgesamt höchstens 25 Presseplätzen bewerben können. Die Vergabe der Plätze, so Manuela Haußmann, werde nach der Reihenfolge der Anmeldung festgelegt. Überdies: <link http: www.kontextwochenzeitung.de editorial genuegend-transparent-gemacht-2217.html _blank>"Eine Akkreditierungsanmeldung vor Beginn oder nach Ende dieses Zeitraums wird nicht berücksichtigt." Da hatte man wohl beim Landgericht mit großem Medieninteresse gerechnet und sich verrechnet: Nicht mal ein Dutzend Akkreditierungswünsche gingen ein, sehr wahrscheinlich weil halt wenige aus Langeweile regelmäßig auf der Homepage des Landgerichts surfen ...
(Die Anfrage der Kontext:Wochenzeitung, nachträglich akkreditiert zu werden, wurde übrigens abgeschlagen. Dafür haben wir in den 16 Wochen seit Prozessbeginn 16 Mal ziemlich ausführlich berichtet.)
Es ging weiter mit der Verfügung vom 17. Juni 2014, die zum Betreten des Gerichtssaals <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik wasserwerfer-willkommen-2276.html _blank>praktisch alles ausschließt außer, dass einer Klamotten anhat: "Als Zuhörer wird nur eingelassen, wer a) sich am Eingang für Zuhörer mit einem zur Feststellung seiner Identität geeigneten Personalausweis oder Reisepass ausweist, b) sich einer Durchsuchung unterzieht, wobei Frauen von weiblichen Bediensteten kontrolliert werden, c) keine Gegenstände bei sich führt, die geeignet sind, die Hauptverhandlung zu gefährden oder zu stören, d) nicht zuvor aus sitzungspolizeilichen Gründen von der Verhandlung ausgeschlossen wurde. Die Durchsuchung erstreckt sich auf Gegenstände im Sinne der Ziffer 4.c. Dazu gehören auch Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Handarbeitsmittel, Plakate, Trillerpfeifen, Mobilfunktelefone, Laptops u. ä., weil das Zuhören allein dem Zweck dient, der Hauptverhandlung zu folgen."
Kein Witz: Nicht mal das Grundgesetz darf mitgenommen werden in den Gerichtssaal.
Zwar entsprechen die Anordnungen durchaus denen, die bei Prozessen gegen Schwerkriminelle getroffen werden, zum Beispiel in derzeitigen Großverfahren des Landgerichts Stuttgart gegen Rockerbanden oder Rechtsradikale. Allerdings ist die Frage erlaubt, ob im Wasserwerferprozess ein ähnliches Gefährdungspotenzial besteht. Für die Angeklagten und ihre Unterstützer, die in anderen Prozessen Anlass für derartige Maßnahmen geben, darf man eine derartige Gefahr getrost verneinen. Schließlich sind in diesem Prozess zwei Polizisten angeklagt. Bleibt also nur das Publikum als Verursacher. Die sogenannte Sitzungspolizeiliche Verfügung lässt freilich jegliche Begründung hierfür vermissen.
Sogar das Grundgesetz ist verboten
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht gerade erst in einem anderen Verfahren entschieden – dort zu Einschränkungen der Presse –: "Da Anordnungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG [...] Eingriffe in den Schutzbereich der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz darstellen, bedarf es konkreter, auf Gesichtspunkte der Sitzungsleitung bezogener Gründe zum Schutz des Angeklagten und der sonstigen Verfahrensbeteiligten, eines ungestörten Verlaufs der Sitzung oder der Bedingungen für eine ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung." Und weiter setzt das höchste Gericht voraus, "dass der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe offenlegt und dadurch für die Betroffenen erkennen lässt, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind."
31 Kommentare verfügbar
Stephan Becker
am 15.10.2014Das hatte ich gestern noch vergessen hinzuzufügen:
Beim Name Zumwinkel muss man noch ein paar Aspekte ergänzen, weil die Welt ja nicht schwarz-weiß ist.
Im Jahr 2007 kämpfte Zumwinkel für die Einführung eines Mindestlohns bei der Post:
09. Mai 2007
Post kämpft um das Briefmonopol
…