An der Front versorgen derweil Freiwillige in einem nahe beim Biergarten eingerichteten Behelfslazarett die Verletzten. Zu den "Demo-Sanitätern" stoßen im Verlauf des Tages Ärzte und Krankenschwestern, die teils zufällig im Park zugange waren, anderenteils sich nach dem Parkschützer-Alarm oder aufgrund der Nachrichtenlage in Radio und Fernsehen hin auf den Weg zum Tatort gemacht haben. Bis zum späten Abend werden hier insgesamt 367 Personen behandelt, darunter
· 320 Patienten, die unter Augen-, Haut- und Schleimhautreizungen durch von der Polizei eingesetztes Pfefferspray litten;
· 32 Patienten mit Prellungen aller Art, verursacht durch Faust- und Knüppelschläge der Polizei;
· 12 Patienten mit Kopfplatzwunden, verursacht zumeist durch Knüppelschläge der Polizei;
· zwei Patienten mit Rippenbrüchen, verursacht durch den Wasserstrahl eines Wasserwerfers,
· ein Patient mit einer schweren Augenverletzung, deren Ursache unbekannt ist, da dieser Patient direkt an den öffentlichen Rettungsdienst übergeben wurde.
Mag sein, dass einige davon anschließend noch vom DRK behandelt werden. Andererseits gibt es viele, sogar Kopfverletzte, die jetzt im Wasserwerferprozess als Zeugen aussagen, die weder das eine noch das andere in Anspruch nehmen, sondern auf eigenen Beinen den Park verlassen, wo auch immer nach medizinischer Hilfe suchen und in keiner Statistik auftauchen.
Dass Rettungskräfte nicht bereitgehalten werden, ist das eine, dass ihnen Hilfe auch noch untersagt wird, das andere. Folgender Vorgang, der aus Funkprotokollen hervorgeht, die der Kontext:Wochenzeitung vorliegen, belegt das eindrucksvoll:
Gegen 16 Uhr geht ein älterer Herr, der auf einer Wiese links von den vorrückenden Wasserwerfern steht, plötzlich auffällig in die Knie, bricht dann zusammen. Um 16.02 Uhr fordert ein Polizist aus Hessen deswegen den Notarzt an: Verdacht auf Herzinfarkt. Um 16.11 Uhr, nachdem nichts passiert ist, neuerlich die Anforderung: dringendst Notarztwagen! 16.13 Uhr treffen Feuerwehr-Sanitäter ein, ziehen sich aber sogleich wieder zurück. 16.18 Uhr, der Polizist ist mit dem Kranken wieder allein, neuerlich dringend die Bitte um einen Notarzt. Antwort: Das DRK dürfe nun mal nicht in den Gefahrenbereich. 16.21 Uhr: Funkspruch, nach Mitteilung des Führungsstabs sei der Notarzt unterwegs, verbunden mit der Klage "alle weigern sich zu helfen". 16.28 und 16.30 Uhr weitere Hilferufe des Polizisten nach einem Notarzt. Dann trifft tatsächlich ein Rettungswagen ein, ohne Notarzt. Um 16.37 Uhr wird der Mann schließlich abtransportiert. Was aus ihm wird, ist bis heute unklar. Gerüchte, er sei im Krankenhaus verstorben, können nie verifiziert werden.
Für die Staatsanwaltschaft war die Versorgung gewährleistet
Wegen dieses Vorfalls erstattet der Mitverfasser Dieter Reicherter Tage später gegen die Verantwortlichen des Polizeipräsidiums Stuttgart und des Rettungsdiensts Stuttgart Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, damals Leiter der "politischen" Abteilung 1 der Staatsanwaltschaft Stuttgart, lehnt am 28. 3. 2011 die Aufnahme von Ermittlungen ab, weil kein Tatverdacht bestehe. Dies begründet er auch damit, dass wegen des Einsatzes eines Wasserwerfers im betreffenden Bereich der Notarzt nicht an den Ort habe gelangen können und sich die Sanitäter deswegen zurückgezogen hätten. Zynischer geht's nicht.
35 Kommentare verfügbar
Alfred
am 11.09.2014sind es als nächste Stufe Gummigeschosse ?
Die ersten Versuche fanden bereits Anfang der 80er Jahre bei der Polzei in GP statt.
Auf Betonfertigteilen wurden Gummiblöcke mit 20 cm Dicke aufgeklebt um Erfahrungswerte zu bekommen bei welcher Entfernung die…