Dass er vom Verfassungsschutz ausgespäht wurde, entnahm der Rechtsanwalt einem Pressebericht. 2009, kurz vor den Gemeinderatswahlen in Freiburg, blätterte Michael Moos durch die "Badische Zeitung" und staunte nicht schlecht: Die Linke Liste, für die er sich schon seit Jahren als Kommunalpolitiker engagierte, werde vom baden-württembergischen Inlandsgeheimdienst überwacht, las er dort. Das war der Auftakt für einen Rechtsstreit mit dem Staat, der nun schon seit zehn Jahren andauert.
Welche Informationen der Geheimdienst über ihn zusammengetragen hat, weiß Moos bis heute nicht – obwohl er sich durch mehrere Instanzen klagte, um wenigstens einen Auszug davon zu erhalten. 764 Seiten umfasst seine Akte, so viel konnte er herausfinden. Doch was sich unter den schwarzen Balken befindet, die gut zwei Drittel der gesammelten Daten unlesbar machen, bleibt vermutlich ewiger Gegenstand der Spekulation. Sie müssen geheim gehalten werden, befindet der Verfassungsschutz, denn ihre Offenlegung gefährde nicht nur Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, sondern ermögliche "Rückschlüsse auf Beobachtungsfelder, die Arbeitsweise und den Kenntnisstand" einer Behörde, die bevorzugt, dass ihr niemand auf die Finger schaut.
Sicher ist jedoch, dass Moos, heute 72 Jahre alt, sein halbes Leben lang unter Beobachtung stand. Bereits der erste Eintrag, aus dem Jahr 1978, wirkt übergriffig: "bei einer gerichtsverhandlung gegen angehoerige des kbw [Kommunistischer Bund Westdeutschland, d. Red.]", heißt es dort, "war obiger pkw vor dem gerichtsgebaeude geparkt und wurde offensichtlich von einem prozessinteressierten benutzt." Weil anscheinend schon der Besuch einer öffentlichen Gerichtsverhandlung – es sitzen immerhin Kommunisten auf der Anklagebank – verdächtig genug ist, eine staatliche Überwachung zu rechtfertigen, folgen (geschwärzte) "erkenntnisse ueber halter und benutzer". Der Auftakt zu 35 Jahren Bespitzelung. Mindestens. Denn in späteren Vermerken wird aufgelistet, dass sich bereits der minderjährige Moos in der linken Szene herumgetrieben habe, als Jura-Student dann beim Sozialistischen Studentenbund und später beim KBW.
Der Staat weiß Dinge über Moos, die er selber nicht mal ahnte
Während sich die Verfassungsschutzämter bei ihrer Informationsgewinnung größtenteils auf öffentlich zugängliche Informationen beschränken, gingen sie bei Rechtsanwalt Moos einen Schritt weiter und observierten seinen Arbeitsplatz. In der Akte liest sich das wie folgt: 15:25 Uhr: "Moos geht aus der Kanzlei und zum Pkw. Er stellt das Fahrzeug kurzfristig ab, um eine Anwohnerin einfahren zu lassen. Nachdem er das Fahrzeug zurückgestellt hat, betritt er wieder die Kanzlei." Schwarz. 16:35 Uhr: "Moos rangiert erneut den Pkw, um Anlieger ausparken zu lassen." Schwarz. 18:18 Uhr: "Moos verlässt das Haus, geht zum Pkw, steigt ein und fährt in Richtung Eisenbahnstraße weg." Schwarz.
Als er 1994 zusammen mit Kollegen ein Eröffnungsfest für ihre neue Kanzlei im Hegar-Haus feiert, ist der Verfassungsschutz mit dabei – wie auf scheinbar jeder zweiten Veranstaltung in Freiburg und Umgebung, die sich tendenziell dem linken Spektrum zuordnen lässt. Am 11. April 1986 besuchten etwa 400 Gäste einen Themenabend über die neuen Sicherheitsgesetze. Eine geheimdienstliche Quelle beurteilt das Publikum: "ca. 60% links bis liberal, ca. 40% linksextremistisch." Den Verfassungsschützern ist es nicht entgangen, dass Moos im selben Jahr bei einer anderen Veranstaltung "legalisierte Gestapo-Methoden" anprangerte, mit deren Hilfe sich Sicherheitsbehörden zur Durchsetzung politischer Interessen instrumentalisieren ließen. "Willkürmaßnahmen sind Tür und Tor geöffnet", soll der Anwalt ausweislich eines geheimdienstlichen Protokolls gesagt haben. Freilich ohne damals zu ahnen, dass er ebenfalls Betroffener ist.
2 Kommentare verfügbar
Lowandorder
am 19.07.2019Leider ein steinalter Hut - wie ja auch Seyfried - oldie but goldie - zeigt.
Dazu - 1977/78 Refi am Hessischen VGH - Beamtensenat.
Ein Nachbarsenat hatte ausgeurteilt &! Durchgesetzt!
Dero Schnüffelakten mußten/wurden rausgerückt.
Nicht ohne den Untergang des Abendlandes zu…