Der Begriff "Europa" wird in Politik und Medien überwiegend als Synonym für die Europäische Union verwendet. In ihren Außenbeziehungen ist die EU längst ein Gewaltakteur eigener Art geworden. Deswegen sind unkritische Pro-EU-Appelle ebenso wenig im Sinne einer europäischen Friedensordnung wie eine exklusive Sichtweise des "Wir hier drinnen – die da draußen". Diese Denkweisen müssen überwunden werden, wenn wir ein wirkliches europäisches Friedensprojekt schaffen wollen.
Die EU durchläuft in den letzten Jahren einen rasanten Militarisierungskurs. Was mit der Gemeinsamen Außenpolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik begann, hat inzwischen mit der ständigen strukturierten Zusammenarbeit (PESCO), der koordinierten jährlichen Überprüfung der Verteidigung (CARD) und dem Europäischen Verteidigungsfonds eine materielle Gestalt angenommen. Mit diesen Aufrüstungsinstrumenten setzen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten ihre selbst gegebene Verpflichtung aus Artikel 42 des Lissabon-Vertrags um, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise auszubauen.
Maßgebend für die militärische Kooperation in der EU ist die vertiefte Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich, die auch im Aachener Vertrag von 2019 eine deutlich militärische Komponente hat. Diese Zusammenarbeit ist nicht etwa gegen die NATO gerichtet, sondern verhält sich komplementär. Dennoch ist zu erkennen, dass etwa in Mali die EU-Staaten, insbesondere die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, eigene, von den USA abgekoppelte Interessen verfolgen, denen die Bundesregierung mit militärischer Unterstützung bereitwillig Hilfe leistet.
Schluss mit Peacebuilding?
Instrumente der zivilen Hilfe und Konfliktbearbeitung bleiben nur noch dem Namen nach dem Frieden verbunden. Stattdessen verlagert die EU ihre Kapazitäten in den Bereich des militärischen "Capacity Building" und in die beschönigend "Migrationskontrolle" genannte Flüchtlingsabwehr. Die Ertrunkenen im Mittelmeer werden nicht etwa zufällig nicht gerettet, sie sind Opfer einer zynischen Abschreckungspolitik, die sich zur Abwehr von Einwanderung und zur Abschottung gegen Kriegs-, Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge mit den übelsten Menschenrechtsverletzern verbrüdert, sie auf- und ausrüstet und deren so genannte "Sicherheitskräfte" ausbildet.
So wurde mit der "Europäischen Friedensfazilität" (schon der Name allein ist pure Propaganda) 2018 ein außerbudgetärer Finanzrahmen in Höhe von jährlich 10,5 Milliarden Euro aufgelegt, dessen Zweck "die Finanzierung der gemeinsamen Kosten von militärischen Missionen und Operationen der EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" ist. Er soll "der Union ermöglichen, zur Finanzierung militärischer friedensfördernder Maßnahmen beizutragen, die von internationalen Partnern weltweit durchgeführt werden. Bisher war im Rahmen der 'Friedensfazilität für Afrika' lediglich die Finanzierung friedenssichernder Maßnahmen unter afrikanischer Führung möglich."
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