Nie wieder Krieg, nie wieder Geheimpolizei. Das waren zentrale Lehren aus der Nazi-Zeit und, was die Geheimpolizei betrifft, auch eine Lehre aus dem Unrechtsstaat der DDR. Eine "Geheime Staatspolizei" (Gestapo) und eine "Staatssicherheit" (Stasi) sollte es auf deutschem Boden nie mehr geben.
Sicherstellen sollte dies das Trennungsgebot, das wohl in einem Polizeibrief der Alliierten Militärgouverneure vom 14. April 1949 erstmals erwähnt worden ist. In der Folge gab es eine Polizei, die Straftaten verfolgt. Auch im Staatsschutz-Bereich. Und es entstanden Inlandsnachrichtendienste unter der Bezeichnung "Verfassungsschutz", die verfassungsfeindliche Bestrebungen beobachten und politische Lagebilder erstellen, aber keine Straftaten verfolgen sollten.
Für die Polizei gilt dabei das Legalitätsprinzip. Das heißt, wenn sie von einer Straftat erfährt, muss sie ermitteln. Für den Verfassungsschutz gilt das Opportunitätsprinzip: Wenn der Nachrichtendienst von einer Straftat erfährt, kann er das Wissen für sich behalten, falls ihm das für seine Arbeit sinnvoll und wichtig erscheint – weil beispielsweise andernfalls seine Informationsquelle enttarnt würde. Ein Nachrichtendienst soll nach reiner Lehre nur Nachrichten sammeln und keine Operationen ausführen, was ihn zum Geheimdienst werden ließe.
Ein erster Schuss in den Ofen: das "Celler Loch"
Keine Operationen? In der Operation "Feuerzauber" hat der niedersächsische Verfassungsschutz 1978 ein Loch in die Außenmauer des Hochsicherheitsgefängnisses Celle gesprengt. Mit dem so genannten "Celler Loch" sollte ein Befreiungsversuch zugunsten des RAF-Mitglieds Sigurd Debus vorgetäuscht werden. "Man wollte mittels dieses staatlich organisierten, fingierten Ausbruchs V-Leute in die Strukturen des RAF-Umfeldes einschleusen", schreibt Winfried Ridder in seinem Buch "Verfassung ohne Schutz". Ridder war 20 Jahre lang Referatsleiter "Linksextremistischer Terrorismus" des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dessen damaliger Präsident habe den Celler Anschlag allen Ernstes zu einem "nachrichtendienstlichen Mittel" erklärt, kritisiert Ridder.
Mal abgesehen von der Wahl eines kriminellen Mittels kommt der Ex-Verfassungsschützer zu dem Ergebnis, dass die Operation handwerklich schlecht konzipiert war: "Dieser getürkte Anschlag auf die Justizvollzugsanstalt Celle hätte einer kritischen Überprüfung durch die RAF nicht standgehalten." Die Bilanz des Verfassungsschutzes in der Terrorismusabwehr sei seit mehr als 40 Jahren "eindeutig von Niederlagen bestimmt", stellt Ridder fest. "Nicht einen einzigen schweren terroristischen Anschlag hat er verhindern können, auch wenn er im islamistischen und rechtsterroristischen Bereich durch seine Vorermittlungen an der frühzeitigen Entdeckung terroristischer Strukturen beteiligt war."
"Schutz" am Rande des Rechtsterrorismus
Mindestens im Neonazi-Bereich stellt sich allerdings folgende Frage: Basieren die frühzeitigen Entdeckungen des "Verfassungsschutzes" teilweise darauf, dass er selbst angeschoben hat, was er zu entdecken vorgibt? So hat der Thüringer Verfassungsschutz-V-Mann Tino Brandt mit seinen Spitzel-Prämien, die sich insgesamt im sechsstelligen Euro-Bereich bewegt haben sollen, den "Thüringer Heimatschutz" aufgebaut. In diesem Umfeld wurden Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisch beziehungsweise rassistisch sozialisiert. Heute steht das Trio für den Rechtsterrorismus des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).
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David Sohn
am 08.11.2017