Als "klimapolitisch völlig aus der Zeit gefallen", nennt Aktionsbündnissprecher Eisenhart von Loeper den in den 1990er Jahren ersonnenen Tiefbahnhof deshalb – und verlangt den sofortigen Ausstieg aus dem Projekt. Zwar stehen inzwischen etwas mehr als die Hälfte der Tunnelstrecken bereits im Rohbau, was schon rund eine Million Tonnen Treibhausgase verursachte. "Durch einen Projektstopp kann der größte Teil der Emissionen aber immer noch vermieden werden", sagt Rößler. Dem Weltklima blieben je nach Szenario 2,5 bis 4,6 Millionen Tonnen CO2 erspart. Der unterirdische Bahnhofstrog könnte zum zentralem Omnibusbahnhof, die Tunnelröhren zu Schnellwegen für Elektrobusse und Logistik werden, beschreibt er mögliche Umnutzungen.
Die Bahn widerspricht – und schweigt zu baubedingten Emissionen
Für die Deutsche Bahn liegt Gutachter Rößler komplett daneben. "Das Papier zu angeblich von Stuttgart 21 verursachten Treibhausgasemissionen basiert auf der Behauptung falscher Tatsachen", sagt ein Sprecher der Projektgesellschaft auf Nachfrage. Etwa, dass der neue Durchgangsbahnhof lediglich 32 Züge in der Spitzenstunde bewältige. "Das ist falsch", betont er und verweist auf den Stresstest sowie aufwändige Betriebssimulationen nach der S-21-Schlichtung, die eine Kapazität von 49 Zügen ergeben hätten. <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik reise-nach-absurdistan-3990.html internal-link-new-window>Eine Kalkulation freilich, die wegen Verfahrensmängeln seit der Stresstestpräsentation immer wieder von S-21-Kritikern angezweifelt wird.
Die Bahn beharrt erwartungsgemäß auf der Leistungssteigerung. Weswegen auch die Annahme falsch sei, dass das künftige Zugangebot ausgedünnt werde, wie der Sprecher betont: "Richtig ist vielmehr, dass sowohl im Fern- als auch insbesondere im Regionalverkehr mit Inbetriebnahme von Stuttgart 21 das Schienenangebot mit neuen Linien deutlich ausgeweitet werden kann, was ohne den Neubau gar nicht möglich wäre". So würden etwa künftige Metropolexpresslinien im Regionalverkehr das S-Bahn-Netz deutlich entlasten. Anders als behauptet, werde das größere Zugangebot zu einer wesentlichen Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene beitragen. "Und so eine deutliche Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen ermöglichen", widerspricht die Bahn dem Münchner Gutachter.
Im Gegensatz zur Kapazität dürfte die Menge des für den Tiefbahnhof verbauten Betons und Stahls zwischen Bauherr und Projektgegnern unstrittig sein. Zur massiven Belastung des Klimas während der Bauphase und dem höheren Energieverbrauch im Betrieb schweigt die Bahn jedoch. Überraschend findet sich der Tiefbahnhof dennoch im Öko-Portal des Konzerns: als Beispiel für grüne Baulogistik. "Wo immer es möglich ist, transportieren wir Materialien umweltfreundlich per Schiene, so wie beim Großprojekt Stuttgart 21", heißt es da. 4,3 Kilometer Baustraßen wurden extra angelegt, um den Abtransport von Aushub per Zug zu gewährleisten. Ein Aufwand, der 2016 mit dem internen DB Award in der Kategorie Umwelt belohnt wurde.
"Bahnfahren ist gelebter Klimaschutz", behauptet der Staatskonzern derweil weiter. Wohl nur, solange die Zugfahrt nicht durch den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof führt.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!