Was für ein Gefühl, morgens ins Büro zu kommen, auf den Schreibtisch zu schauen, um ihn zu entdecken oder nicht: den blauen Brief. Es ist ein schlechtes Gefühl, von dem Joachim Dorfs gerne erzählt hat, wenn er KollegInnen verabschiedet hat, die gingen oder gehen mussten. Er wollte ihnen damit sagen, dass er sie kennt, die Angst, den Job zu verlieren, wobei es eine Frage des Glaubens war, ob man ihm die Privatempirie abnahm oder nicht.
Vieles spricht für eine reale Angst. Als Vertreter der Marktwirtschaft in ungetrübt neoliberaler Form, wusste der Diplomvolkswirt vom Jahrgang 1964, dass Heuern und Feuern zum Geschäft gehörten, dass er Anpassungsleistungen zu erbringen hatte, je nach Gemütslage derer, die regierten.
Insofern wird ihn auch die Nachricht aus München nicht überraschen, wo "dossier B" seinen Sitz hat, ein für gewöhnlich gut unterrichteter Branchendienst. Herausgeber Peter Carl schreibt, Dorfs habe sich dem Vernehmen nach "auf die Suche nach einer neuen Aufgabe" gemacht, möglicherweise nicht allein aus eigenem Antrieb, sondern als Folge des Spardiktats der Südwestdeutschen Medienholding SWMH, die einen teuren Chefredakteur zur Findung eines neuen Jobs ermuntere. Die PR-Abteilungen von Daimler, Porsche, EnBW, berichten Insider, könnten passende Adressen sein. Der Betroffene selbst ist nicht befragbar, er weilt im Urlaub.
Personal abbauen, aber mit dem Ausdruck des Bedauerns
Dorfs war 2008 vom "Handelsblatt" gekommen, zeitgleich mit Richard Rebmann, dem gefürchteten Geschäftsführer der SWMH aus Oberndorf. Während der Schwarzwälder verkündete, keinen Stein auf dem anderen zu lassen, schob der gebürtige Essener schon mal die Kiesel, sprich das Personal hin und her, um die verlangten ersten Millionen einzusparen. Das tat er mit dem Ausdruck des Bedauerns, aber zügig, weil es galt, den Banken die Bilanzen aufzuhübschen, nachdem sich der Erwerb der "Süddeutschen Zeitung" doch nicht so flott finanzieren ließ, wie Rebmann sich das gedacht hatte. Der SWMH-Chef wollte die 720 Millionen Euro mit den Gewinnen des Weltblatts innerhalb kurzer Zeit bezahlen, was sich als ziemlicher Irrtum erwies. Spätestens ab 2008 ging es nur noch bergab. Mit den Abos und mit den Anzeigen.
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Philippe Ressing
am 18.08.2019