Wir hatten uns schon so an ihn gewöhnt, an Richard Rebmann, den Chef der SWMH. Ein cooler Typ. Voll unauffällig, voll obere Mittelschicht, volle Taschen. Da wurde er 60 und da muss man in der Stuttgarter Medienfabrik (SZ, StZNEZKRZ, Schwabo u.v.m.) als Geschäftsführer gehen. Wir haben das bedauert, er übrigens auch, weil hier eine Ära endete, in der man immer noch den Schwarzwald riechen konnte. Dorthin, zu seinem Schwabo, ist der Oberndorfer im Juni zurückgekehrt, verabschiedet mit den Floskeln, die einem einfallen, wenn einem nichts Besseres in den Sinn kommt: erfolgreich, engagiert, verlässlich.
Gekommen ist ein Manager von ProSiebenSat 1, ein digitaler Visionär, wie es heißt, was gut ist, weil das Gedruckte im Portfolio der Verleger unbedingt bereinigt werden muss. Wie bei den Esslinger und Böblinger Erwerbungen, wo schnell 120 Leute entsorgt werden mussten. Christian Wegner, der Neue, habe es geschafft, innerhalb kürzester Zeit 400 MitarbeiterInnen auf die Straße zu setzen, sagt Verdi-Sekretär Uwe Kreft. Die Zahl erreicht er, wenn er die Beschäftigten bei der Gebäude- und Grundstücksservice GmbH (GuG) hinzunimmt, die in Stuttgart, Villingen und München von den Standortschließungen betroffen sind. Die GuG ist ein Teil von Rebmanns Schwarzwälder Bote Mediengruppe, die wiederum ein Teil der SWMH ist, die nun zur Erkenntnis gelangt ist, dass es billiger ist, die Jobs vom Fensterputzen bis zum Zeitungsaustragen von Fremdfirmen erledigen zu lassen.
Das dürfte Rebmann, dem das Prinzip nicht fremd war, als Tritt in den Hintern interpretiert haben. Aber so ist das halt mit den neuen Besen, die auch in den Ecken kehren müssen. Schließlich ist das Umfeld im Verlagsgeschäft "weiterhin angespannt", Abos und Anzeigen sind weiter rückläufig, schreibt Nachfolger Wegner nach seinen ersten 100 Tagen an die "lieben Kolleginnen und Kollegen". Man liege hinter den "Planwerten für 2018", der Umsatz im Digitalen sei "zu gering", weshalb "neue Wachstumsgeschäfte" zu "identifizieren" seien. Insgesamt sei er aber der Überzeugung, "dass wir gemeinsam viel erreichen werden". Zumindest in der Chefetage scheint das bereits gelungen zu sein: es wird, auf Wunsch des Mittvierzigers, krawattenlos geduzt.
In den Redaktionen ist dieser Klimawandel bisher nur in diversen Papieren mit journalistischen Handlungsanleitungen angekommen. Online first, das muss nicht mehr betont werden. In die Köpfe geklopft werden müssen sogenannte "Muss-Themen" wie Kriminalität, Müll, Gastronomie, Verkehr, die im Zuge einer "Lesewert"- Studie unter LeserInnen auch als "Aufregerthemen" ermittelt wurden. Danach muss in diesen Köpfen "konsequent die Leserperspektive" eingenommen werden, und wenn die Klickzahlen hoch sind, "arbeiten wir unmittelbar an einer Folgegeschichte". Schreiben beispielsweise die Ressortleiter, während ihr GF-Kollege Wegner meint, es gehe weiterhin um die Verbesserung "unseres Kerngeschäfts Qualitätsjournalismus".
Ach war das noch schön mit Richard Rebmann. Der hat im Zweifel einfach nichts gesagt.
2 Kommentare verfügbar
Andrea K.
am 27.12.2018Meine Leserperspektive beim Überfliegen der StZ-Online sagt mir sehr regelmäßig: Klickbait reiht sich an Klickbait, in manchem Teaser sind die Grammatikfehler so gravierend, dass…