KONTEXT:Wochenzeitung
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Dem Visionär ist nichts zu schwer

Dem Visionär ist nichts zu schwer
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Die Südwestdeutsche Medienholding wechselt ihre Spitze aus. Für Richard Rebmann kommt ein TV-Manager, der nichts von Zeitungen, aber viel von "Parship" versteht. Christian Wegner heißt der neue Visionär. Diesmal im Digitalen.

Ein Porträt, wenigstens zum Abschied? Nein, sagt Richard Rebmann, das brauche er nicht. Nicht fürs Ego, nicht für die Nachwelt und auch nicht vor seinem Abgang im Stuttgarter Pressehaus, vor dem er zehneinhalb Jahre rückwärts eingeparkt hat. Da ist er wie sein Laden, diese Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), die Schweigen immer für die beste PR gehalten hat. Er will nur das eine oder andere zurechtrücken oder auch nur verstehen, warum er so oft kritisiert wird. Insbesondere in Kontext.

Dafür hat er einen Zettel auf dem Tisch, auf dem er notiert hat, was ihm wichtig erscheint. Es ist ja eine ganze Menge passiert in den Jahren 2008 bis 2018, in denen er den Zampano gegeben hat, ohne den Applaus im Publikum. Der Kauf der "Süddeutschen Zeitung", die Einstellung von "Sonntag Aktuell", die Zusammenlegung von "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" zur StZN, der Rauswurf von gut zwei Dutzend Managern. Um nur ein paar Highlights aus seiner Amtszeit zu nennen, die er jetzt beenden muss, weil er 60 ist. Das ist bei der SWMH so üblich.

Über die Geschäfte referiert Rebmann ganz cool, kein Grund zur Aufregung.

Die 720 Millionen Euro für die SZ? Antwort: Sie seien finanziell verkraftet.

Schluss mit Sonntag Aktuell? Antwort: Ein Risiko, weil zugleich der Bezugspreis erhöht wurde. Habe aber geklappt. Zu wenig mit der Zeitung verdient, die Verträge mit den Partnerverlagen seien ungünstig gewesen. 

Fusion zur StZN? Antwort: Gelungen, keine massiven Abbestellungen. Kritik an der Qualität beider Blätter werde immer wieder geäußert, aber keiner könne Genaues sagen. Auch der Flughafenchef Walter Schoefer nicht. Der solle lieber seine Verspätungen in den Griff kriegen.

Und die Rausschmisse? Antwort: Nur ein Manager, die anderen seien altershalber oder sozialverträglich ausgeschieden. Die Belegschaft sei gut behandelt worden. Oder gehe es bei der SWMH zu wie bei der WAZ? 

Klar, auch Verleger wollen in den Himmel kommen

Soviel zum Zurechtrücken, zur subjektiven Sicht der Dinge, die gelegentlich mit der Realität kollidiert. Aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes. Nicht um Wahrheit oder Lüge, sondern darum, ob der Mensch als gut oder böse wahrgenommen wird. Klar, auch Verleger wollen in den Himmel kommen und dafür gute Taten tun. Wer daran zweifelt, muss sich auf eine entscheidende Frage gefasst machen: Woher wollen Sie wissen, dass ich Gefühle nur beim Betrachten meines Kontoauszuges habe?

Ja, woher wohl? Von Dagobert Duck oder aus der Summe der Betrachtungen dieser Person heraus, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass seine Empathie vorrangig dem Euro gegolten hat. Aber: Haben wir ihn je lachen oder weinen sehen? Höchstens lächeln, wenn er erzählt hat, eine Zeitung müsse sein wie ein Blumenstrauß am Frühstückstisch und dürfe vor allem keine zu langen Artikel haben. Ob die jetzt zum Beispiel für oder gegen Stuttgart 21 sind, ist ihm egal, dafür hat er seine Leute.

Geweint haben meistens die anderen. Hunderte im Pressehaus, vom Pförtner Harry, der heute Trommler gegen den unterirdischen Bahnhof ist, bis zum Chef der Kantine und von Sonntag Aktuell. Alle zu teuer, alle durch Billigkräfte zu ersetzen, alle reduziert auf den Faktor Kosten. Das Vorspiel dafür hat Rebmann immer in seinem "Schwarzwälder Boten" in Oberndorf geübt, wo das Sparen das optimale Optimierungsprogramm war. Besonders gelungen ist ihm das mit der Auflösung der Gesamt-Redaktion (2000), dem Kauf des Mantels der StN und der Beschränkung auf Lokalredaktionen, deren 96-tägiger Streik elf Jahre später als längster Arbeitskampf in die deutsche Zeitungsgeschichte eingehen sollte.

Fortan war Rebmann ein Visionär. Zumindest für die Mediengruppe Schaub aus Ludwigshafen ("Die Rheinpfalz"), die in der SWMH das Sagen hat, und die, wenn es denn ginge, eine Zeitung am liebsten ohne JournalistInnen herausbringen würde. Selbstverständlich waren auch die württembergischen Verleger, angeführt von dem Ulmer Eberhard Ebner ("Südwestpresse") und ebenfalls mit 47,5 Prozent beteiligt, begeistert ob der noch goldeneren Zukunft. Mit des Oberndorfers 3-P-Programm mussten die zweistelligen Renditen von Dauer sein: 1. Personal abbauen, 2. Produktqualität senken, 3. Preise erhöhen.

Bekanntlich kam vieles anders. Die Finanzkrise, die überteuert eingekaufte "Süddeutsche Zeitung", der Anzeigeneinbruch, die Verluste bei den Abonnenten, der Siegeszug des Internets, die Vermögenseinbußen bei den Gesellschaftern.

Drei Kennziffern (2008 - 2017/18): 

Auflage: Die verkaufte Papier-Auflage von StZ/StN schrumpfte laut der Auflagenprüfer der IVW um 69 000 Exemplare auf 140 093 (minus 33 Prozent). Die SZ weist noch 262 684 aus (minus 30 Prozent). Dieser Rückgänge fallen deutlich höher aus als bei anderen deutschen Abo-Tageszeitungen. 

Verluste: Das Konzern-Eigenkapital der SWMH ist laut Bundesanzeiger von 309 Millionen Euro (Ende 2007) auf 84 Millionen Euro (Ende 2016) zurück gegangen. Zusammen mit den für 2017 angenommenen 19 Millionen ergibt sich ein Gesamtverlust von mehr als 240 Millionen Euro in der Rebmann-Zeit.

Dividende: Seit 2008 erhalten die vorher verwöhnten Gesellschafter keine Dividende mehr. Im Gegenteil: Sie mussten 100 Millionen zuschießen. Es gibt aber Sonderregeln für bestimmte Minderheitsgesellschafter von Tochtergesellschaften der SWMH, an die 2016 über 11 Millionen Euro gingen. Dazu gehört auch eine Schwarzwälder Familienholding, an der Rebmann beteiligt ist.

Nun ist der Schwarzwälder Jurist nicht für den weltweiten Finanzcrash verantwortlich, ebenso wenig für den Umstand, dass junge Menschen kaum noch Zeitung lesen und die Werbung ins Netz abwandert. Aber ein paar Ideen mehr als Sparen und Zukaufen, etwa das Aufstocken der Beteiligungen an der "Eßlinger Zeitung" und der "Böblinger Kreiszeitung", hätten in der Folge der "Es-bleibt-kein Stein-auf dem-anderen"-Ankündigung nicht geschadet. Das "Ticken der Kuckucksuhr", das der frühere StZ-Chefredakteur Uwe Vorkötter aus der Kantine vernommen hat, mag tatsächlich der Vorliebe Rebmanns für heimische Gewächse geschuldet sein, und damit einer Topografie, die tiefe Täler und wenig Horizonte kennt.

Aber es geht auch schlimmer. Von der Pfalz aus regiert die schwerreiche Schaub-Familie mit ihrer Medien Union in die SWMH hinein, stets darauf bedacht, den Kostenfaktor Journalismus so niedrig wie möglich zu halten. Für sie braucht es keine Korrespondenten, weder im In- noch im Ausland. Für sie war auch lange Zeit das Digitale des Teufels. Ihr Aufpasser im Verwaltungsrat war der Erbsenzähler Oliver C. Dubber, der den Managern in Stuttgart fix eine "lausige Geschäftsführung" vorwarf, wenn die Zahlen nicht stimmten. Das muss, so heißt es, am Schluss selbst Rebmann zu viel geworden sein.

Der Neue ist das Gegenmodell, der Anti-Rebmann

Und jetzt holen sich die Sparfüchse aus der Pfalz das Gegenmodell. Einen Mann, der bei ProSiebenSat1 (P7S1) Digitalvorstand war, mindestens 2,6 Millionen Euro im Jahr verdient hat, Sneakers von Bikkemberg mit leuchtenden grünen Streifen sowie eine dickrandige Nerdbrille trägt. Ein netter Kerl mit Hang zum Chaotismus, großzügiger Geldausgeber, lässig, Urlaub gerne im Sultanat Oman, erzählen Kollegen. Wow.

Jener Mann heißt Christian Wegner, ist 44 Jahre jung, war bis Ende 2016 Vorstand bei der kommerziellen Sendergruppe und dort zuständig für "Digital & Adjacent", was auch mit Digitales und anderer Kram übersetzt werden kann. Oder so: Wegner hatte nichts mit Stefan Raab zu tun, sondern eher mit "Parship", in das er 100 Millionen investiert hat und als Marktführer im Beziehungsbusiness preist. Das Datingportal hatte einst dem Stuttgarter Medienkonzern Holtzbrinck gehört und wanderte 2016 ins Portfolio von P7S1, weil die ein neues Geschäftsmodell entdeckt hatten.

Media-for-equity lautet der Fachbegriff und besagt nichts anderes, als dass die akquirierten Unternehmen Werbezeit gegen Aktienbeteiligung erhalten. Auf diese Weise ist ProSiebenSat1 zum Fernsender mit angeschlossenen Onlineportalen wie verivox, weg.de, wetter.com und billiger-mietwagen.de geworden, und, falls jemand die Kanäle guckt, bitte nicht wundern, wenn sich alle 11 Minuten jemand verliebt. Laut Wegner hat seine Sparte in 2016 einen Umsatz von einer Milliarde Euro gemacht, womit er die Marke der gesamten SWMH (880 Millionen) übertroffen hätte.

Das scheint die Eigner von der Ludwigsburger über die Pforzheimer bis zur Waiblinger Zeitung überzeugt zu haben. Endlich ein Hoffnungsträger, endlich wieder ein Visionär, der einen Plan für die Zukunft hat, die mehr ist als eine Glaskugel, bei deren Betrachten dem alteingesessenen Verleger ganz schwindlig wird. Wegner soll der Wunderknabe sein, der den Übergang vom Papier zum Digitalen schafft, indem er fortsetzt, was er beim Fernsehen begonnen hat: eine "externe Wachstumsstrategie durch Unternehmenszukäufe". So wünscht es sich die SWMH von dem promovierten Betriebswirt und Ex-McKinsey-Berater.

Mit einer raschelnden Zeitung hat das nichts mehr zu tun. Er erwarte eine Welle von interessanten "Assets" und "Targets", mit "Emerging-Trends im Lifestyle-Feld", etwa beim "Well-Being" und "New Food", hat Wegner in einem langen Interview mit der Fachzeitschrift "Kress Pro" gesagt. Das war im August 2016, als die Branche noch dachte, er könnte der Chef von ProSiebenSat1 werden. Aber das hat dann nicht geklappt. Ende 2016 ist er gegangen (worden), wobei eine Rolle gespielt haben mag, dass es in seiner rasant wachsenden Digitalsparte offenbar drunter und drüber ging, was das "Manager-Magazin" zum Titel "Gott des Gemetzels" animierte. Unter anderem soll es dort einen hochbezahlten Manager gegeben haben, der zum Telefonieren in die Tiefgarage entschwand, in sein Auto. Im Anheuerungsfuror war wohl vergessen worden, ihm ein Büro einzurichten.

Und so könnte es am Ende Menschen geben, die Richard Rebmann nachtrauern.

 

Info:

Ruhe ist wieder in die Zeitungshäuser eingekehrt – zumindest an der Streikfront. Die Verleger bieten rückwirkend zum 1. Mai 2018 eine Gehaltserhöhung von 1,9 Prozent an plus eine Einmalzahlung von 500 Euro. Im Jahr darauf soll es 2,4 Prozent mehr geben. Der Deutsche Journalistenverband djv hat bereits zugestimmt, verdi/dju will die Mitglieder über das Angebot abstimmen lassen. Die Gewerkschaft kritisiert, dass es immer noch keine echte Reallohnsteigerung sei.

Presse im Umbruch

Print geht, digital kommt. Die meisten Verleger haben das zu spät bemerkt. Statt zu investieren, sparen sie den Journalismus kaputt. Aber es gibt auch positive Beispiele.

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2 Kommentare verfügbar

  • Philippe Ressing
    am 08.07.2018
    Antworten
    Der Trend in den Medien zu Online-Konzernen mit angeschlossenen Druck oder Rundfunmedien schreitet zügig weiter voran. Am augenfälligsten war die beim Axel-Springer-Verlag, dem Synonym für einen Pressekonzern mit politischer Ambition. Heute hält sich der Konzern noch sein 'Lügenblatt' und die 'Welt'…
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 10 Stunden
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