Prosaischer nennt man das die Fusion zweier Redaktionen unter Beibehaltung zweier Zeitungstitel. Und die Kunst wird sein, sagt Rebmann, jeden Tag eine "möglichst unterscheidbare" Zeitung heraus zu bringen. Über das Wie zerbricht sich das journalistische Personal jetzt den Kopf beziehungsweise fasst sich an denselben, weil es die Sinnhaftigkeit der Unternehmung noch nicht durchdrungen hat. Die Chefredakteure überraschen ihr Fußvolk mit der Aufforderung, sich eine "intelligente Arbeitsorganisation" einfallen zu lassen, was jenem schwer fällt, weil es nicht weiß, wie das gehen soll, wer gehen muss und wer bleiben darf. 35 von 240 Vollzeitstellen sollen weg fallen, alle sollen sich neu bewerben, auch die Ressortleitungen, und nur die Chefredakteure bleiben. Vorläufig.
Gefordert sind "Change- und Prozessoptimierungs-Gedanken"
Die Ressortchefs müssen sich dabei vom alten Denken lösen. Wer weiter das Feuilleton führen will, muss kein Petras-Kenner sein, sondern, laut Stellenausschreibung, ausgeprägte "Change- und Prozessoptimierungs-Gedanken" im Kopf haben, einen "Medienkanal-übergreifenden Workflow" aufbauen sowie "journalistische Sonderformate" konzeptionieren. Wie zum Beispiel den "Kulturreport", die gemeinsame Beilage von StZ und StN, in der die Theater über den Inhalt mitbestimmen, weil sie dafür zahlen. Von unabhängigem Journalismus steht nichts in der Stellenausschreibung. Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier meint, die Pressehaus-Manager täten auch Aale verkaufen.
Wer das alles nicht mehr mag, muss nur das "außerordentliche Abfindungsangebot" bis zum 31. August 2015 unterschreiben, und erhält dann 25 000 Euro (bis zum 40. Lebensjahr), bis zum 60. das Doppelte, und danach wieder 25 000. Dazu kommen 0,75 Prozent des durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts pro Dienstjahr sowie eine Turboprämie von 22 500 Euro. Alles voll zu versteuern, woraus folgt, dass die Bereitschaft, seinen Redaktionssessel zu verlassen, offenbar noch zu schwach ausgeprägt ist, um die Zahl 35 zu erreichen. Stärker scheint der Wille zu sein, sich mehr einzubringen, etwa via Facebook, das zur Markenbildung beiträgt.
Das hat mit dieser Unterschiedlichkeit, mit dem eigenständigen Profil zu tun, worauf Geschäftsführer Rebmann abhebt. Dazu muss man wissen, dass eine Zeitung früher eine Zeitung war. Die "Stuttgarter Zeitung" zum Beispiel eine, die auf ihre Liberalität stolz war und einen Herausgeber hatte, der einst Lesern wegen erwiesener Blödheit das Abonnement gekündigt hat. Heute soll eine Zeitung eine Marke sein, die sich im Warengeschäft behaupten und ihre Kundschaft mit hübschen Auslagen binden soll. Besonders gut ist es, wenn auch deren Produzenten, sprich die Journalisten, eine Marke sind. Und wie schaffen Frau und Mann das, wenn sie nicht schon Joe Bauer sind? Am besten über die so genannten sozialen Medien, in denen sie erzählen, mit wem sie alles befreundet sind und was sie gerade so machen. In Baden-Württemberg ist Boris Palmer gut, Bernd Riexinger schlecht.
Wolfgang Molitor muss unbedingt Profilautor werden
Auf dem Weg in die digitale Zukunft ist das unabdingbar und vom Arbeitgeber auch gefordert. Für die Profilsicherung braucht es Profilautoren, zwölf für jede Zeitung, die den LeserInnen signalisieren sollen: du bist jetzt bei der "Zeitung" und du bei den "Nachrichten". Konkret: Wolfgang Molitor, der stellvertretende StN-Chef, muss unbedingt Profilautor werden, weil er a) schon viele Facebook-Freunde hat und b) auf alles eindrischt, was nach linken Umtrieben riecht. Joachim Dorfs wiederum, der StZ-Chef, ist zwar schon gesetzt, aber niemand weiß so recht warum. Es sei denn, dass a) das Amt qualifiziert und b) sein Verweis auf Wolf Biermann, mit dem er die Zusammenlegung der Redaktionen (treu bleibt sich nur, wer sich ändert) rechtfertigte, Ausweis genug ist.
9 Kommentare verfügbar
Reimund Abel
am 24.07.2015mit Interesse lese ich immer wieder Ihre Berichte über die Vorgänge hier im Pressehaus Stuttgart. So auch den, der mit der Headline „Blumenstrauß zum Frühstücksei“ überschrieben. Dabei geht es auch um dem „Kulturreport Stuttgart“, die monatliche Kulturbeilage. Sie…