Einen Monat später, am 16. Mai, kam Wegner nach Stuttgart. Mit einer neuen Botschaft. "Wir müssen im Kernbereich massiv Kosten sparen", sprach er zum Konzernbetriebsrat, das gesparte Geld benötige er "für das Digitale". Und zwar in den nächsten fünf Jahren. Der Kernbereich war nichts anderes als der zuvor gepriesene gedruckte Qualitätsjournalismus. Da hat selbst Verdi-Sekretär Uwe Kreft, dem in der Branche wenig fremd ist, gestaunt. Dieses "offensichtliche Abschreiben von Print", sagt der fürs Pressehaus zuständige Gewerkschafter, "ist ganz furchtbar". Da kriegten sie doch die Kohle her – Wegners Vorgänger Rebmann wäre das nicht passiert.
Renditen wie im Drogenhandel
Damit mag er wohl recht haben, weil der Oberndorfer Verleger ("Schwarzwälder Bote") in den goldenen Papierzeiten groß und reich geworden ist, wie viele seiner Kollegen, die gemeint haben, das sei ein Dauerzustand. Erst als sie zur Kenntnis nehmen mussten, dass ihre Auflagen und Anzeigenerlöse in den Keller fuhren, ihre Renditen, die sonst nur im Drogenhandel zu erzielen waren, in den einstelligen Bereich rutschten, erst dann begannen sie zaghaft ans Digitale zu denken.
Was nun tun? Die Cash Cow war das Gedruckte, das Digitale der Kostenfaktor und die Zukunft zugleich. Die Antworten der Verleger fielen unterschiedlich aus. Die einen verkauften ihre Papierblätter (Springer/Holtzbrinck), um sich fortan Auto-, Immo- und Datingportalen zuzuwenden. (Stefan von Holtzbrinck etwa war überglücklich, seine Partnerbörse "Parship" für einen Sack voll Geld an die britische Beteiligungsgesellschaft Oakley Capital verkauft zu haben, welche sie 2016 an ProSiebenSat.1 für 100 Millionen weiter reichte. Der Verhandlungsführer hieß damals Christian Wegner).
8 Kommentare verfügbar
Jörg Krauß
am 16.07.2019G. Meier
am 29.08.2019Was hier in meinen Augen immer wieder falsch rüberkommt ist die Tatsache, dass Print mit Qualitätsjournalismus und Digital mit Clickbaiting und dem Untergang der Zeitungen gleichgesetzt wird.
Grundsätzlich sind beides nicht mehr und nicht weniger als Kanäle auf denen Qualitätsjournalismus bzw. journalistische Artikel verbreitet werden kann. Das wird in den meisten Redaktionen in Deutschland umgesetzt, indem sich aufgespaltet wird und einerseits eine Fraktion für Print, eine andere für Digital produziert Dadurch geht die Schere zwischen Print und Online immer weiter auseinander und damit auch mit den Produkten die dahinterstehen. Das kann an einer falschen Strategieausrichtung liegen, liegt aber vor allem auch daran, dass viele Redakteure sich der neuen Welt einfach nicht anpassen wollen.
Ein guter Redakteur macht das, was er kann. Seine journalistische Arbeit und baut den Artikel so auf, dass er auf jedem Kanal der Welt funktionieren kann. Ob Print ob Digital ob Virtual Reality ist vollkommen irrelevant. Es sollte immer das sein, was die Leser bevorzugen. Das war in der Vergangenheit Print und wurde Jahrzentelang gut gemacht. Das ist aber in der heutigen Zeit sowohl Digital als auch Print und das wird sich zukünftig immer mehr in das Digitale wandeln.
Die digitale Welt bietet wie Herr Ressing richtig erkannt hat eine Menge Möglichkeiten für Anzeigenkunden, aber eben auch für Redakteure. Ich kann Leseverhalten, Klickverhalten, Zielgruppen usw. analysieren. Ich kann darauf aubauend Texte schreiben, welche die Welt wirklich bewegen und interessieren. Ich lerne meine Leser wirklich kennen und kann jederzeit direkt Feedback bekommen. Nicht schlecht, wenn Sie mich fragen.
Natürlich gehen viele Zeitungen/Webseiten den Weg mit reißerischen Überschriften möglichst viele Klicks zu erzielen. Das gibt schließlich Werbegeld. Das ist auch für kleine Redaktionen praktikabel und Ihr gutes Recht. Auch das gab es in Print schon immer (siehe Bild und Co.) Spätestens seit Spotify und Netflix wissen aber auch Verlage, dass digitale Abomodelle funktionieren können. Und mit digitalen Abomodellen geht auch kein Stück Qualitätsjournalismus verloren. Im Gegenteil! Denn nur für Inhalte, die es wirklich wert sind, wird der Leser Geld bezahlen.
Und Verlage stecken im Moment genau in dem Zwiespalt. Sie machen beides nicht richtig. Ein bisschen Digital, mit teils schlecht bezahlten Redakteuren die vor allem für eins zuständig sind. Klicks. Dann gibt es die renommierten Printler, die sich aber schlicht und ergreifend zu schade dafür sind, digital zu arbeiten und lieber mit ihrer Zeitung untergehen (und sich auf ihren alten Verträgen bis zur Rente ausruhen). Dann gibt es noch ein paar, die versuchen den Bogen zu spannen. Ingesamt alles schlecht als recht, jeder läuft in eine andere Richtung (Wir haben eine Paywall, aber zu viel Sperre schadet der Reichweite, Reichweite = Clickbaiting, aber zu wenig ist nicht rentabel - Hilfe!) Helfen würde ein Hand in Hand. Eine gemeinsam Strategie, die aktzeptiert wird und die ihre Zukunft im Digitalen hat. Die Printzeitung kann nach wie vor weiterproduziert werden und würde kein Deut an Qualität verlieren.
Ja, die wachsenden digitalen Erlöse werden die Print Verluste niemals auffangen. Das mag sein, aber wenn ich mir in Zukunft (sobald die Print Verluste zu hoch sind) die gesamte Zustellung, die Druckkosten für Maschinen & Mitarbeiter, die Anzeigenverkäufer und sämtliche Redakteure spare, für die es schon zuviel ist ein paar Zwischenüberschriften, Absätze und ein paar ansprechende Bilder zu produzieren, dann kann ich eher rentabel arbeiten. Und durch den Netzwerkeffekt kann es im digitalen sehr schnell gehen. Wenn ich die Fixkosten einmal gedeckt habe, dann habe ich nahezu keine weiteren Kosten mehr, egal wie weit meine Nutzerschaft steigt. Der Aufwand bleibt immer der Gleiche.
Und ich bin mir sicher, dass haben auch viele der Leute in den Führungsebenen erkannt. Allerdings braucht so ein Wandel Zeit und muss erstmal all diejenigen beseitigen oder überzeugen, die diese Änderungen nicht wahrhaben wollen.
Regionalen Qualitätsjournalismus wird es immer geben. Nur wenn die Zeitungen aufgrund mangelndem Change-Management, Anpassungsfähigkeit und Strategien nicht schnell genug sind, dann wird es halt jemand anders machen. So wie mit den ganzen Rubrikenmärkten. Zur Erinnerung: Damit haben die Zeitungen auch mal viel Geld verdient.
Heute verdienen Parship, Autoscout und Co. damit Geld im Internet. Und wer hat sie sich zurückgekauft - Richtig, die Verlage. Zumindest die, die clever waren und rechtzeitig Potenzial in digitalen Geschäften gesehen haben.
Zu guter Letzt noch ein Begriff den die NYT und die Aftenposten (norwegische Zeitung) geprägt haben in den letzten Jahren. Sie nannten den Wandel "years of hell". Was ist heute: Die NYT hat mehr Redakteure als je zuvor und produziert sowohl Print als auch Digital in einer herausragenden Qualität. Ähnliches gilt für die Aftenposten, auch wenn die massiv eingespart haben.
Philippe Ressing
am 11.07.2019Was bringt Online-Werbung? Sie kann individuell an User/Leser verteilt werden, denn beim Anklicken der Homepage wird die gesamte Online-Nutzung des Users verfolgt - im Werbefachchinesisch 'targeting' genannt. So können dann Werber gezielt den einen Online-StuttZ-Leser etwa mit Tierfutterwerbung ansprechen, da er häufiger auf Tier-Internetseiten ist. Der StuttN Leser surft bei Baucentern rum - also bekommt er Bannerwerbung vom nächstgelgenen Baumarkt eingeblendet. Und das ganze geschieht in Jetztzeit - also beim Aufrufen der Zeitungspage sofort. Damit erreicht die Werbung potentielle Intressenten direkt, die dann die Werbeinfos anklicken könne und zum Werber weitergeleitet werden. All das geht bei der guten alten Holz-Zeitung nicht und deshalb fährt die Werbeindustrie hier die Ausgaben zurück.
Die Verlage wollen mit Online-Ausgaben die Druckkosten und vor allem die Kosten für die Zustellung einsparen - da der Nutzer die Ausgabe ja nur auf dem Bildschirm liest. Für Online-Zeitungen ist wichtig, dass sie auch in den Suchmaschinen (google und Co) ganz oben auftauchen. Folge: Je krawalliger, lauter und bunter - desto klickts - oder man kauft sich gleich beim Portal den Rangplatz. Qualitätsjournalismus? Nebensache! Ob sich das alles für die Verlage rechnet - fraglich?. Mit Zahlen über Online-Nutzung und die Einnahmen gegenüber dem Aufwand halten sich die Verlage bedeckt. Der Springer Konzern verdient mit Online-Dating-Plattformen oder Reise-Suchmaschinen und hat vor Jahren seine Regionalzeitungen längst verkauft. Absehbar, bis es so wird wie in anderen Ländern, da halten sich große Unternehmen oder Bauriesen ihre Medien - siehe Frankreich oder Griechenland.
F. Fischer
am 10.07.2019Die Flucht der Verleger in's Digitale ... auf Kosten seriösen journalistischer Arbeit? ... wird den Niedergang nur beschleunigen. Digitale Angebote müssen Niveau haben und gewisse ethische, journalistische und rechtliche Standards erfüllen. Gutes Beispiel für mich. Der Netzauftritt des DLF. Nur als ein Positivbeispiel. Da müssen aber auch die Redakteure ein gewisses (Ausbildungs-)Niveau und auch historische und politische Kenntnisse haben. Bei den genannten Stuttgarter Blättern scheint da noch sehr sehr viel Luft nach oben. Noch tiefer als dort geht es ... für meinen Geschmack ... kaum noch. ... Banales Fastfoodgeschreibsel mit wenigen positiven Ausnahmen. ... Wir haben unser Printabo schon länger abbestellt. Und viele aus dem Freundes- und Bekanntenkreis auch. ... Deshalb wundern die Auflagenabstürze kaum.
Nebenbei noch: Daß man jetzt z.B. Artikel zu S 21 hinter der Paywall versteckt, sagt eigentlich ALLES aus. Wer zahlt schon für nahezu unkritische Verbreitung von DB-Propaganda.
Die Kritik am kriminellen Verhalten der Autobauer in der Dieselaffäre hält sich in den besagten vereinigten Blättchen auch sehr in Grenzen. Man will ja die Anzeigen von Audi, Daimler und Konsorten nicht verlieren. Das ist nur noch peinlich und unwürdig.
josef tura
am 10.07.2019Bloß, daß dieses Dings, äh, also diese Desoxyribonukleinsäure bei uns halt Säure (und nicht Acid) heißt und die Abkürzung somit korrekt DNS lautet. Aber wer bin ich, daß ich von der Stuttgarter Zeitung was korrektes erwarte...
Peter Hermann
am 10.07.2019w.-g. esders
am 10.07.2019Thomas Michelitsch
am 10.07.2019