Die Anzeige war ungewöhnlich groß für den Anlass. 200 Millimeter hoch und 126 Millimeter breit. Auf so viel Raum suchte die "Eßlinger Zeitung" (EZ) freie Mitarbeiter für ihre Lokalredaktion. "Je flexibler, desto besser", schrieb sie, und wünschte sich beim Profil "Spaß am Schreiben" sowie den Führerschein Klasse B. Was sie dafür zu bieten bereit ist, verriet die Zeitung (Auflage knapp 40 000) nicht, aber das hätte sie auch in Schwierigkeiten bringen können - wie die Dinge so stehen.
Die Anzeige, datiert vom 30. Juni, platzte mitten in den Streik der Esslinger Freien, die endgültig genug hatten von der ewigen Knauserei. Während die Abogebühren von 2010 (276,39 Euro im Jahr) bis 2017 (415,55 Euro) um 50 Prozent stiegen, blieb ihr Zeilenhonorar in diesem Zeitraum auf immer demselben Stand: 62 Cent. So, als ob sich für sie nichts verteuert hätte. Essen, Trinken, Wohnen, Autofahren ebenso wenig wie Kranksein oder Urlaubmachen. Letzteres fiel nicht so schwer ins Gewicht, da Bett und Pool ohnehin eher selten waren. 78 Cent, plus Zuschläge für lange Termine, plus Tarifsteigerungen und Fahrtkosten wie bei den Festangestellten (30 statt 27 Cent), sagen sie, würden das Blatt nicht in den Ruin treiben.
Bei der EZ ist Andreas Heinkel fürs Geld zuständig. Ein grober Klotz in der Zeppelinstraße 116. Gekommen ist der 50-Jährige vom "Münchner Merkur" zunächst als Berater von Verlegerin Christine Bechtle-Kobarg, die noch im September 2016 betonte, sie bleibe die Herrin im Haus. Einen Monat später verkaufte sie ihren Laden an die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), weil sie <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien die-stzn-ez-3946.html _blank external-link>außer ihrer Kasse keine Perspektive mehr sah. Seit Februar 2017 ist Heinkel der verlängerte Arm des Konzerns; mit ihm verhandelten die Freien seit Oktober vergangenen Jahres. Ohne jeden Erfolg.
Diskussionen über Honorare kommen Heinkel stets zu früh
Zuerst müsse klar sein, sprach der Geschäftsführer, welche Folgen das neue Layout haben würde. Ende Januar 2018 war das schnell erkennbar: Aus sechs Spalten wurden fünf, die Zeilen damit länger, aber die Honorare nicht höher. In einem zweiten Schritt, erläuterte er, müsse das publizistische Projekt "Lokalstrategie 2020" aufgesetzt werden, in dessen Rahmen die "Fokussierung" auf die Region gestaltet werden müsse. So lange selbiges ungewiss sei, was diese Wortwahl in sich birgt, kämen Diskussionen über Honorare verfrüht. Es könne ein Mehr, aber auch ein Weniger geben, sagte er, und dann ein Wort, das er besser vermieden hätte: "Kollateralschaden". Das haben ihm die Freien sehr übel genommen, weil sie ihren Honorarverlust nicht als unvermeidliche Begleiterscheinung wovon auch immer sehen.
Auf Anfrage von Kontext betont Heinkel, das Wort habe er verwendet, um den Kollegen zu erläutern, dass es sich bei der Layoutanpassung nicht um ein "bewusstes Sparprogramm" handele, es aber leider diesen "nicht gewollten Nebeneffekt" habe. Dies auf den "Kollateralschaden" zu reduzieren sei "etwas unfair".
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Gerhard Reischmann
am 16.07.2018Gerhard Reischmann, freier Journalist in Oberschwaben, wo die Zeilenhonorare in aller Regel noch niedriger sind.