Teile der Bürger von Esslingen eilten an jenem Karfreitag 1968 herbei, mit ihren Schäferhunden an der Leine, die sie losließen, als die Polizei Unterstützung beim Abtransport unwilliger Widerständler brauchte. Karasek und Palitzsch hätten sich, so heißt es, helfend in diese Gemengelage geworfen, und seien dabei gebissen worden. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die beiden Kulturmenschen im linken Geistesmilieu zuhause, also keineswegs nur Zuschauer waren.
Geschadet hat es ihnen nicht. Karasek wanderte vom damals bedeutenden StZ-Feuilleton, das Helene Fischer gewiss nicht zum Kulturereignis des Jahres gemacht hätte, als Chefdramaturg ans Stuttgarter Staatstheater, danach zur "Zeit", zum "Spiegel" und wurde über das "Literarische Quartett" richtig berühmt. Palitzsch gründete das Mitbestimmungstheater in Frankfurt, inszenierte am Wiener Burgtheater, in Zürich, Rio und Berlin und starb 2004. Karasek, der am Ende als Autor bei Springer gelandet war, ist 2015 abgetreten.
Juso Drexler holt die "Mädle" aus dem Wasserstrahl
Wolfgang Drexler ist noch da und war auch dabei. Mit Parka und tief ins Gesicht gezogener Kappe habe er sich gegen die Wasserwerfer gestellt, erzählt der Alt-Genosse, und habe "die Mädle aus dem Strahl gezogen". Als Esslinger Juso-Sprecher ist er damals los gezogen, in seine erste Auseinandersetzung mit staatlicher Gewalt, wie er sagt, und im Bewusstsein, "zivilen Ungehorsam" leisten zu müssen. Gegen alles Böse. Und das waren nach seinem Dafürhalten: die Amerikaner in Vietnam, die CDU und die Springer-Presse. Kurz nach dem ersten Gespräch ruft Drexler nochmals an und berichtet, dass auch Barrikaden gebaut worden seien, er aber voll mit der Rettung der "Mädle" beschäftigt gewesen sei, die "einfach weggeputzt" worden seien.
Das erinnert nun doch an ein Ereignis, das 42 Jahre später stattfinden sollte. Der Schwarze Donnerstag am 30. September 2010. An jenem Tag sind auch Kinder "weggeputzt" worden, als sie gegen Stuttgart 21 im Schlossgarten protestiert haben. Und damals gab es einen Wolfgang Drexler, der nicht mehr Juso, nicht mehr Generalsekretär und Fraktionschef der SPD, sondern Sprecher des Bahnprojekts S 21 war. Falsch, sagt der nunmehr 72-Jährige. Exakt zwei Wochen vor dem Schwarzen Donnerstag habe er dieses Amt niedergelegt und er hätte sich gegen den Wawe-Einsatz gestemmt, wäre er geblieben. Womöglich weil er sich erinnerte, wie schmerzhaft so ein Wasserstrahl sein kann.
Also zurück zum Bechtle-Verlag, wo sich laut "Eßlinger Zeitung" eine "veritable Wagenburg" vor dem Betriebsgelände aufgebaut hatte. Studenten, heute würde man sagen Studierende, waren aus Tübingen, Heidelberg, Freiburg mit ihren 2CV angereist, und hatten sie vors Hoftor gestellt, immer wieder weggeschaukelt von jeweils vier starken Polizisten und flugs wieder ersetzt durch nachrückende Entlein. Das muss die Staatsgewalt ziemlich genervt haben, auch wegen der anhaltenden Ho-ho-ho-Chi-Minh-Rufe, an die sich Gerhard Kienle noch erinnern kann. Der heute 79-Jährige war Vertriebsleiter in jener Zeit, sprich zuständig dafür, dass die Bildzeitung rechtzeitig vom Hof kam.
Der SDS empfiehlt Eier, Salz und Brillen gegen Tränengas
Kienle hat die Sache von drinnen betrachtet und bemerkt, dass die Polizei "völlig überfordert" war. Er hatte sie, nach einer Alarmmeldung aus der Hamburger "Bild"-Zentrale, geholt beziehungsweise holen wollen. "Ihr von 'Bild' wisst immer alles besser", hat er zu hören bekommen, aber man schicke einen Streifenwagen zum Gucken. Irgendwann waren es tatsächlich 150 Uniformierte, die sich vornehmlich im Haus verschanzten, während sich draußen eine vierfache Menge versammelte. Vom SDS auch mit hilfreichen Empfehlungen versorgt, wie etwa dem Hinweis, Eier, Salz, Tomaten, Kartoffeln, Schnaps und geschlossene Brillen gegen Tränengas mitzubringen.
Letzte Kommentare:
Ist das eigentlich ein hochdotierter Posten, Präsident beim VfB? Hat dieser dubiose Ex-S 21-Sprecher denn nicht genügend Kohle anderweitig gemacht? Muß er sich mit 70 unbedingt noch präsidial aufplustern? Aber offenbar findet sich niemand aus einer...
Wir waren froh und erleichtert über dieses Urteil - Herzlichen Glückwunsch! Überrascht war ich über den Dank an den "Spiegel" - war dort die Berichterstattung doch stets hinter der Bezahlschranke und auf der Startseite nicht präsent. Aber vielleicht ist...
"Das Landgericht Mannheim sah sich außer Stande, zu beurteilen, ob die Chat-Protokolle gefälscht sein könnten." Ist das nicht auch dieses Landgericht, das so überaus emsig bei der Verfolgung des angeblichen Vergewaltigers Kachelmann vorging?
@Ge La, meinen Sie das wirklich? „Die Gewaltenteilung funktioniert zum Glück ,“ Wenn ja, wo haben Sie Ihre Schulbildung „abgesessen“?!? Bereits im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde in ebensolcher Weise weiter gegen...
Weiter so, geht es schon wieder los in Deutschland, dass solche Leute vor Gericht recht bekommen und dann mit so einer Aussage des Vorsitzenden Richters Stojek, das gibt zu denken.
Das ist wirklich eine gute Nachricht!
Der gemessene und somit statistisch erfasste Stromverbrauch in der entwickelten Welt stagniert bzw. nimmt stark und kontinuierlich ab: https://moderndiplomacy.eu/2019/02/14/the-mysterious-case-of-disappearing-electricity-demand/ Teilweise ist das auf selbst...
Die Nakba-Ausstellung, die zur Zeit von der VHS Reutlingen gezeigt wird, dokumentiert klar nachvollziehbar und mit den entsprechenden Nachweisen die wissenschaftliche Diskussion, die sich spätestens seit den 1980er Jahren (international noch früher) an den...
Wunderbar! Die Gewaltenteilung funktioniert zum Glück , auch dank der professionellen Recherchen und dem durchhaltevermögen von Kontext!
Sehr erfreulich und trotzdem stellt sich im Moment noch die Frage, ob Herr Grauf nicht gezwungermaßen das Hauptsacheverfahren "anleiern" könnte, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Staatsanwaltschaft wegen seiner Eidesstattlichen Versicherung, dass die...
Herzlichen Glückwunsch zu dieser OLG-Entscheidung und Dank an Sie alle bei kontext für Ihre Standhaftigkeit. Die Freude war groß.
Danke, auch dafür, dass es KONTEXT gibt! "Der erste Kommentar kam von Edzard Reuter: "Die Feinde unserer Demokratie können sich nicht im Dunkeln verstecken!" KONTEXT schaut hin indes halb bin ich dabei! Der Klügere gibt nicht nach - alles andere wäre...
Ich denke, das eine neutrale Aufarbeitung der Fluchtbewegungen nötig ist. Zur gleichen Zeit wurden in allen arabischen Staaten Menschen jüdischen Glaubens vertrieben. Die Ausstellung ist gründlich mißlungen und wird berechtigterweise kritische Stimmen...
Eine tolle Nachricht!! Danke, dass ihr durchgehalten habt! Weiter so!
Es gibt doch noch gute Nachrichten für den Journalismus - Glückwunsch zum Erfolg und dran bleiben