Die Gebühren wurden zum Wintersemester 2017/2018 eingeführt, weil sich das Land eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen wollte. Ursprünglich sahen die Pläne der Regierung vor, den Haushalt – durch Mehreinnahmen oder Minderausgaben – strukturell um 1,8 Milliarden Euro zu entlasten. Die Sparmaßnahmen trafen insbesondere die Bildung (wo die Digitalisierungsoffensive krachend gescheitert ist), aber alle Ressorts sollten einen Beitrag leisten. Seitdem die Konjunktur sich besser entwickelte als erwartet und die Steuern sprudelten, war davon kaum noch die Rede. Teilweise zeigte sich das Land sogar durchaus spendabel. Etwa beim sozialen Wohnungsbau, wo die Fördermittel gegenüber der grün-roten Vorgängerregierung mehr als verdoppelt wurden, mit mehr als 1,25 Milliarden Euro. Fragt sich nur, wo die Sozialwohnungen bleiben.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), in deren Zuständigkeitsbereich das Wohnen fällt, zeigt sich zwar durchaus zufrieden mit der eigenen Bilanz. Nur ist nicht nachvollziehbar, warum. Sie sagt, sie habe gemeinsam mit ihrer Wohnraum-Allianz, "die Wohnraumförderung in eine neue Dimension geführt". Allerdings fehlt noch immer: der benötigte Wohnraum. Obwohl insbesondere Konservative gerne "bauen, bauen, bauen!" gegen die teils dramatische Wohnungsnot anpreisen – wobei es sich um einen Mythos handelt, dass Bautätigkeit allein zu sinkenden Mieten führen würde –, ist die Zahl der Neubauten in Baden-Württemberg deutlich unter dem kalkulierten Bedarf. Laut einer Studie von 2017, die die Ministerin selbst beim Prognos-Institut beauftragt hat, müssten jährlich 65.000 neue Wohnungen im Südwesten entstehen. Tatsächlich waren es aber nur knapp 35.000 pro Jahr, wie aus den Zahlen des Statistischen Landesamts hervorgeht.
Klimazeile dank Pandemie erreicht
Besonders vernichtend fällt die Bilanz beim Sozialen Wohnungsbau aus: So wurden 2019 landesweit genau 891 neue Sozialwohnungen gebaut, was zwar einer Steigerung gegenüber den Vorjahren entspricht. Allerdings sinkt der Bestand dessen ungeachtet, weil alte Sozialwohnungen vom Markt verschwinden. In den Worten des Wirtschaftsministeriums: "Durch Auswertung der gemeindlichen Mitteilungen zum gebundenen Sozialmietwohnungsbestand kann von einem durchschnittlichen jährlichen Rückgang von knapp über 2.000 Wohnungen bis zum 31. Dezember 2020 (beginnend ab 2018) ausgegangen werden, der nach dem Jahr 2020 bis zum Jahr 2025 deutlich geringer ausfällt." Geringer ausfällt, aber immer noch ein Rückgang bleibt. Die Wohnungsnot wird so nicht gelindert.
Wider Erwartens hat Baden-Württemberg aber offenbar sein Klimaschutzziel für 2020 offenbar erreicht. Zwar kündigte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) im September 2017 in einem Interview mit Kontext an, dass dies nicht gelingen würde. Und zum Stand 2019 sah es auch ganz danach aus: So waren die klimaschädlichen Emissionen nach Angaben des Statistischen Landesamts seit 1990 von 89 Millionen Tonnen pro Jahr auf 72 Millionen Tonnen gesunken. Das war jedoch noch nicht genug, um der Zielmarke von minus 25 Prozent gerecht zu werden. Allerdings teilte Minister Untersteller Anfang Februar mit: "Noch gibt es keine statistisch belastbaren Zahlen, aber die erste Abschätzung der Treibhausgasbilanz für das vergangene Jahr zeigt: Wir haben unser selbstgestecktes Klimaschutzziel für 2020 erreicht." Als wesentlicher Faktor für die plötzlichen CO2-Einsparungen dürfte dabei die globale Pandemie ins Gewicht fallen – durchaus möglich scheint, dass die baden-württembergischen Emissionen wieder zunehmen, sobald es mit der Konjunktur bergauf geht.
Einen Anteil am schleppend vorankommenden Klimaschutz hat, dass der Windkraftausbau langsamer vorangeht als geplant. Doch ein viel größerer Faktor ist das Auto: Während in allen anderen Bereichen Erfolge beim Reduzieren der Emissionen erzielt werden können, gelingt das im Sektor Verkehr – der immerhin ein Drittel des Gesamtausstoßes zu verantworten hat – bislang kaum. Was den grünen Ministerpräsidenten nicht davon abhält, eine Kaufprämie für Verbrennungsmotoren vorzuschlagen, sobald die Wirtschaft ins Straucheln gerät.
"Nüchtern betrachtet erfolgreich." Unter diesem Titel bilanzierte Grün-Schwarz die eigene Regierungsarbeit nach 2,5 gemeinsamen Jahren, ganz als ob man besoffen sein müsste, um sich von ihren Leistungen nicht berauschen zu lassen. Wenn man aber die eigens benannten Ambitionen als Zielmarke ansetzt, wäre es eher angebracht, in die Defensive überzuwechseln.
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