Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, nicht zuletzt über jene, die es ausgewählt haben. Eine junge Mutter kniet lächelnd vor ihrer artigen Tochter, das Mädchen blickt sichtlich traurig auf zwei bunte undefinierbare Unterrichtsutensilien. Warum? Weil es in die Ganztagsschule muss? Dann würde die Mutter in der Logik der baden-württembergischen CDU keinesfalls strahlen, denn die ist ja gegen solcherart Verbindlichkeit. Weil es nicht in die Ganztagsschule darf, wie ihre FreundInnen? Weil es nicht nach den eigenen Wünschen gefragt wird? "Dein Kind, Deine Entscheidung" ist das Motto der wenig zeitgemäßen Kampagne, die einem antiquierten Familienbild entspricht – von einem Vater weit und breit keine Spur.
Die Aktion, für die im Netz Unterschriften gesammelt werden, könnte abgehakt werden als misslungene PR-Offensive in der Debatte um die Bundesförderung für Ganztagsschulen. Sie ist aber viel mehr: ein familien- und frauenpolitischer Offenbarungseid, der passt in das Bild, welches die Union insgesamt abgibt. In Berlin wird ein fix- und fertiges Gesetz aus dem SPD-geführten Bundesfamilienministerium ausgebremst, das Vorständen bei Neubesetzungen endlich die Berücksichtigung von Vorständlerinnen vorschreibt. Parteiintern ist "Halbe-Halbe für 2025", wie Annette Widmann-Mauz, die Bundesvorsitzende der Frauen-Union den mühsam gefundenen Kompromiss beschreibt, heiß umkämpft. Und im Land sind die, die in den Fokus genommen werden sollten, längst wieder aus dem selben geraten.
2011 hatte sich die Südwest-CDU endlich aufgemacht, Frauen, vor allem jüngere Frauen, für sich zu interessieren. Aus dem unlängst vorgelegten Baden-Württemberg-Trend geht jedoch hervor, dass 15 Prozent der männlichen Wahlberechtigten Eisenmann direkt wählen würden, aber nur neun Prozent der weiblichen. Mit der Arbeit der Kultusministerin sind 35 Prozent der CDU-Anhängerschaft zufrieden und 33 unzufrieden. Allein unter Frauen sind es 22 zu 40 Prozent. Gegensteuern? Fehlanzeige.
Familienfreundliches Verweilen hat ein Mann erfunden
Gerade in der Welt vieler Männer bei den Schwarzen ist Kinderbetreuung noch immer überwiegend Müttersache. Gerade deshalb lohnt der genauere Blick auf ihr Nein zur Ganztagsgrundschule. Ihr Plan für eine gute Kinderbetreuung sei "zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Eltern und die Hobbys der Kinder", verkündet die Partei im digitalen Kampagnen-Aufruf. Scharf kritisiert wird, dass die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Bundesgeld nur geben will, wenn ein Nachweis über die Qualität der Nachmittagsangebote erbracht ist. Zu Recht bezweifelt Berlin, dass das – so heißt es wörtlich – "familienfreundliche Verweilen", mit dem Baden-Württemberg einen unter allen 16 Länder einmaligen Sonderweg geht, diesem Anspruch gerecht wird. Für 15 Stunden pro Woche sollen die Kommunen als Schulträger unterstützt werden, also für höchstens drei Stunden pro Tag. Je nach Organisation wäre also in der Regel um 14 Uhr, spätestens um 15 Uhr Unterrichtsschluss. Und dann? Dann strömen aufgeklärte Väter scharenweise, um ihre Kinder abzuholen, zu betreuen, dafür zu sorgen, dass sie ihren Hobbys nachgehen können, in den Sportverein oder die Musikschule zu fahren, sie wieder abzuholen, die Hausaufgaben zu überwachen und Abendessen zu kochen? Schöner Traum. Tatsächlich steht das familienfreundliche Verweilen für einen frauen- und familienpolitischen Rückschritt, sogar hinter eigene Ziele und Verheißungen.
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