Die Zukunftsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen steht auf dem Spiel. Wenn es stimmt, dass Schule für das Leben 4.0 vorbereiten muss und damit für lebenslanges Lernen. Es geht ums große Ganze, die Entwicklung von Fähigkeiten, die heute Skills heißen, auf Veränderungen richtig zu reagieren. Es geht um gesellschaftspolitisches Handwerkszeug, soziale Kompetenzen und Streitkultur. Da kann es nur absurd sein, nach der Rückkehr zu Verhältnissen zu rufen, in denen für noch mehr Kinder schon mit zehn Jahren die entscheidenden Weichen für die weitere Laufbahn gestellt werden.
Schule ist ohnehin kein kleines Thema in vielen Familien und aktuell ein großes unter ViertklässlerInnen. In diesen Tagen wird die Halbjahresinformation ausgeteilt, früher Zeugnis genannt, und damit die unverbindliche Grundschulempfehlung. Mit ihr sind entweder alle Beteiligten zufrieden und die Kinder gehen an die Schule ihrer Wahl. Oder es bleibt Eltern vier Tage Zeit, das "Besondere Beratungsverfahren" zu beantragen. Die Hürde wirkt abschreckend, und das soll sie auch. Die ganze Prozedur ist aufstiegshemmend, weil Mütter und Väter aus bildungsferneren Schichten seltener darum kämpfen, dass trotz oder nach dieser besonderen Beratung, wie es in den Merkblättern so schön heißt, "die Entscheidung über die Schulwahl allein Ihnen überlassen bleibt".
Seit 2000 und der ersten PISA-Studie ändert sich nichts an der viel zu großen Abhängigkeit der Schulkarriere von der Herkunft der Eltern. Baden-Württemberg akzeptiert die rote Laterne in zahlreichen Vergleichen. Zuerst haben CDU und FDP herumgedoktert am System und viele Millionen Euro verbrannt in Förderungsprogrammen oder zur Rettung der Hauptschule. Dann wagten Grüne und SPD den lange überfälligen Schnitt. "Vielfalt macht schlauer", hieß einer der griffigen Slogans, gegen den die RealitätsverweigerInnen Sturm liefen. Eisenmann gehörte ausdrücklich nicht dazu, bekannte sich zur neuen Gemeinschaftsschule und argumentierte, dass "mit den Füßen abgestimmt wird". Sie sehe ja, sagte die Stuttgarter Schulbürgermeisterin noch 2016 zum Amtsantritt als Kultusministerin, dass Eltern ihre Kinder "lieber an Gemeinschafts- als an Werkrealschulen schicken".
Es geht um Macht-, weniger um Schulpolitik
Neue Zeiten in der ideologieüberladenen Bildungsdebatte schienen überm Horizont heraufzuziehen. Weg von der frühen Selektion und hin zur Förderung. Zumal sich nicht nur die Bundes-CDU, sondern sogar der Landesfachausschuss Bildung und der Parteivorstand im Südwesten "mittelfristig" auf "ein Schulsystem mit dem Gymnasium einerseits und einer Schule mit Haupt- und Realschulabschluss und weiteren Anschlussmöglichkeiten andererseits" verständigt hatten. Aber der Wind drehte sich. Für Baden-Württemberg wurde die vorsichtige programmatische Öffnung Makulatur, weil Eisenmann schnell erkannte, dass sie ohne die Hardliner in der Landtagsfraktion ihre Ambitionen auf eine Spitzenkandidatur 2021 einpacken kann. "Es geht nicht um Schul-, es geht nur noch um Machtpolitik", sagt Ulrike Felger vom Verein für Gemeinschaftsschulen.
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Markus Ludwig
am 08.02.2020