"Wir haben mal keinen Kratzer davon getragen", sagt Winfried Kretschmann am 24. April, als er vor der Presse erklären will, wieso dieses wichtige gesellschaftspolitische Wahlversprechen in die Tonne getreten wird. Denn eigentlich war das Vorhaben, durch eine Reform des Landtagswahlrechts mehr Frauen ins baden-württembergische Parlament zu bringen, <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik der-club-der-alten-maenner-4869.html _blank internal-link-new-window>fest im grün-schwarzen Koalitionsvertrag verankert. Doch nachdem sich Grüne und Union am Dienstag im Koalitionsausschuss nicht einigen konnten, ist das Thema für diese Legislaturperiode beerdigt. Die CDU-Fraktion habe sich verweigert, "und wir können sie nicht zwingen", so der Ministerpräsident. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz vermag eigene Schuld ebenfalls nicht zu erkennen. "Wir sind fein raus", glaubt er. Und erzählt, wie er am Wochenende auf dem heimischen Markt in Kirchheim unter Teck angesprochen wurde mit dem Kommentar, die Schwarzen seien eben "Saubären".
Während sich grüne Männer den Misserfolg schönreden, gehen die "Saubären" nach ihrer Totalblockade zur Tagesordnung über. Ein paar laue Versprechungen von CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhardt zum Thema Frauenförderung, das tröstliche Bekenntnis vom Innenminister und CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl, mit sich im Reinen zu sein, weil er doch alles versucht habe, einige Sätze Betroffenheitsrhetorik von mehreren Seiten, und die Versicherung, Gegengeschäft zu Gunsten der Grünen habe es keine gegeben, weil Kretschmann das von vornherein ausgeschlossen habe. Das war's.
Auf die Idee, dass das klägliche Ende einer wichtigen Vereinbarung etwas zu tun haben könnte mit fehlender Autorität der Leithammel und einem bejammerungswürdigen Bewusstsein zu vieler in der Herde – auf diese Idee kommt keiner der Entscheider. Auch nicht darauf, dass es über so viele Monate offensichtlich am Verhandlungsgeschick mangelte, am Elan, am Durchsetzungsvermögen und schlussendlich am guten Willen. Trotz der Tatsache, dass die Reform seit so vielen Jahren auf der Agenda steht.
Grüne schoben Reform erst an, dann auf die lange Bank
Schon im Frühjahr 2002 hatte sich Baden-Württembergs Volksvertretung intensiv damit befasst, mit welchen Strukturen und in welcher Zusammensetzung denn dieses Volk im neuen Jahrtausend am besten zu vertreten sei. Ein Grüner, der Ulmer Rechtsanwalt Thomas Oelmayer, durfte seinerzeit höchstes Lob im Hohen Haus dafür einheimsen, dass er sich für eine Änderung stark machte, deren Umsetzung ihn mit größter Wahrscheinlichkeit das Mandat kosten würde. "Nobel" nannte das der Sozialdemokrat Frieder Birzele und verfiel in Staunen über "eine bewundernswerte Eigenschaft von Abgeordneten, dass sie ohne eigene Interessen für eine gerechte Regelung des Wahlrechts sorgen wollen". Und an die Adresse der damaligen Regierungsfraktionen von CDU und FDP: "Ich bitte Sie, das selbst einmal zu Ihrer Maxime zu machen."
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Gero Von Wanne
am 28.04.2018