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Immer nur Männer

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Unsere Autorin ist Vorsitzende des Landesfrauenrats und sie ist sauer. Zappenduster sieht es aus für Frauen nach der Bundestagswahl. Denn trotz vieler Sonntagsreden der Parteimänner haben Frauen auf den aussichtsreichen ersten Plätzen, aber vor allem bei den Direktmandaten, nicht stattgefunden.

Zappenduster. Anders kann ich das Ergebnis der Bundestagswahl aus Sicht der Frauen nicht beschreiben. Zappenduster ist der Frauenanteil im Bundestag, vor allem bei CDU, FDP und AfD. Zappenduster wird es, wenn man die erwartbare Wichtigkeit von Frauenthemen bei der möglichen Jamaika-Koalition durchdekliniert. Zappenduster ist aus meiner Sicht, dass Rechtspopulisten in den Bundestag eingezogen sind. Jedes Mandat ist eines zu viel.

Ich kann es nicht mehr hören, wenn nach der Wahl der Geschlechteranteil überrascht zur Kenntnis genommen wird. Bedauernd oder neutral wird festgestellt: "Hoppla, der Frauenanteil ist gesunken". Gern wird über alle Fraktionen gerechnet, damit es für die einzelnen Parteien nicht so furchtbar aussieht. Doch CDU und FDP haben ein Problem. Sie haben den Anspruch "die Bevölkerung" zu vertreten und dennoch sitzen in den neuen Bundestagsfraktionen der Union 80 Prozent, in der FDP 78 Prozent Männer. Insgesamt sitzen nun im Bundestag 491 Männer und nur 218 Frauen. Beschämende mickrige 30,7 Prozent. Vor dieser Wahl krebsten wir weltweit schon nur auf Platz 25 herum, jetzt ist Deutschland statistisch Kellerkind.

Häufig höre ich folgende Argumente: "Frauen dürfen doch kandidieren" oder "Wir finden keine". Das sind Argumente die zwei Dinge verstecken: Frauen haben es in den Nominierungsprozessen sehr viel schwerer als Männer. Und es ist wichtig, wo Frauen platziert werden.

Das Zweistimmenwahlrecht speist sich aus direkt Kandidierenden und einer Parteiliste. Bei den Ergebnissen zeigt sich, dass die Parteien einen angemessenen Frauenanteil vorzeigen können, bei denen einigermaßen paritätisch nominiert wurde.

So können SPD, Grüne und Linke aus Baden-Württemberg zur Hälfte weibliche Abgeordnete nach Berlin schicken. Die FDP <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik auf-dem-sonnendeck-4093.html _blank external-link>hätte mehr Frauen schicken können, wenn sie die nicht auf die hinteren Listenplätze verbannt hätte. Ein Spezialfall ist die CDU im Land. Sie hat zwar diesmal tatsächlich viele Frauen auf der Liste, aber nur drei Frauen bei den Direktkandidaturen. Obwohl jeder weiß, dass die CDU in der Vergangenheit ihre Abgeordneten fast ausschließlich über Direktmandate gewonnen hat.

Diese Mechanismen offenbaren, welche Haltung zur Macht vorherrscht und welchen Stellenwert Geschlechtergerechtigkeit bei den jeweiligen Parteien hat. Sie wird häufig nur in Sonntagsreden als Grundrecht betrachtet. In der Praxis gilt sie als verhandelbare Meinung.

Gendergerechtigkeit ist ein Grundrecht

Doch Geschlechtergerechtigkeit ist und bleibt ein Grundrecht. Punkt. Und es ist grundgesetzliche Aufgabe der Parteien, Repräsentanz in der Politik zu gewährleisten.

Ich kann diese blumigen Ausflüchte quer durch die Parteien nicht mehr hören. Wir müssen hinsehen und sagen, wie es ist: Bei der Nominierung haben viele Parteien zum wiederholten Mal massiv versagt.

Der Bundestag ist jetzt noch männlicher geprägt. Über alle Fraktionen hinweg wird somit aus dieser Perspektive Politik gemacht.

Eine mögliche Jamaika-Koalition verheißt hierbei nichts Gutes. Der Frauenanteil wäre marginal. Aktuelle Analysen des Deutschen Frauenrats zeigen auf, dass Geschlechtergerechtigkeit und aktive Frauenpolitik sowohl bei der CDU als auch bei der FDP thematisch wenig Gewicht haben. Für die Hälfte der Gesellschaft steht also zu befürchten, dass ihre Themen nicht ernsthaft angegangen werden.

Und auch im politischen Baden-Württemberg bekleckern wir uns in puncto Geschlechtergerechtigkeit selten mit Ruhm. Keine Partei hat das Thema konsistent auf der Agenda. Zu erkennen ist das an abwehrenden Argumentationslinien, die man hört, wenn man frauenpolitische Themen voranbringen will. Als 2011 die Novellierung des Chancengleichheitsgesetzes anstand, ging jahrelang nichts voran. Es wurde bis zur allerletzten Sitzung 2015 geschoben, blockiert und der finanzielle und bürokratische Untergang heraufbeschworen. Und das bei einem Thema, bei dem das Land als Arbeitgeber eine große gleichstellungspolitische Vorbildfunktion hätte einnehmen können.

Bei den Abwehrmechanismen reicht das Spektrum von "Es ist doch alles umgesetzt" bis zu "Mit mir hat das nichts zu tun, also kann es das nicht geben". Oder es wird als Sternchenthema abgetan, für das derzeit weder Geld noch Nerven vorhanden sind. Relativ neu dazugekommen ist die Haltung, dass Genderpolitik als des Teufels Methodenkoffer instrumentalisiert wird (im Übrigen nicht nur innerhalb des AfD-Spektrums). Frauenpolitikerinnen sind des "Gender-Wahnsinns", spalten die Gesellschaft und verunsichern alle. Die Demo-für-Alle Reden zeigen dies ebenso auf, wie etwa die Empörung des CDU-Mannes <link https: www.kontextwochenzeitung.de editorial liebe-bilger-innen-3685.html _blank external-link>Steffen Bilger über gendergerechte Sprache in Regierungstweets.

Das ist der Boden, auf dem die Parteien sich auf den Weg in die Nominierungen und Wahlkämpfe machen. Viel zu wenig wird dabei offen über Macht, Machtverteilung und Geschlechterfragen diskutiert. Das führt dazu, dass nur dort Frauen in die Parlamente kommen, wo harte Strukturen wie Quoten dafür sorgen, dass sie gesetzt werden. Dass nur dies Frauen voran bringt, wissen alle Parteien. Es interessiert nur keinen.

Sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene wird schon lange über die Reform der Wahlsysteme diskutiert, vor allem mit Blick auf Nominierungsgerechtigkeit von Frauen.

Mauer des Widerstands im Musterländle

In Baden-Württemberg erlebe ich eine Mauer des Widerstands über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Egal unter welcher Regierungskonstellation. Aktuell schieben es die grünen und schwarzen Regierungsfraktionen auf die lange Bank. Fraktionen sind nicht die Parteien, aber die Fraktionen sind wichtige Macht- und Entscheidungszentren. So verwundert es kaum, dass im Landtag das Interesse an einer Wahlrechtsänderung mit Ziel Nominierungsgerechtigkeit für Frauen äußerst gering ist. Hier zeigt sich, dass Geschlechtergerechtigkeit spätestens an der eigenen Macht- und Mandatssicherung endet.

Das politische System ist durch die Wahlergebnisse im Landtag und jetzt eben im Bundestag männlicher geworden. Das wird Auswirkungen auf Themen, Diskurse und Perspektiven haben. Der Einzug der AfD und das "Schließen der rechten Flanke" wird für alle Frauen die Konsequenz haben, dass die Gefahr von mittelbarer und struktureller Diskriminierung voranschreiten wird. Die Politik wird, so steht zu befürchten, noch weniger der Komplexität weiblicher Biographien gerecht werden. Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Entgeltgleichheit und Alterssicherung von Frauen werden es noch schwerer haben, Eingang in die politische Agenda zu finden.

Ist damit alles zappenduster und hoffnungslos? Nein. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich möchte noch mit guten Wünschen "das Licht einschalten".

Ich wünsche allen weiblichen Abgeordneten des demokratischen Spektrums viel Durchsetzungskraft. Meine Damen, greifen Sie nach allen wichtigen Posten! Liebe moderne Abgeordnete, bringen Sie sich für Geschlechtergerechtigkeit ein! Prägen Sie den politischen Betrieb!

Ich wünsche mir vom neuen Bundestag Gesetzgebungen, die gendersensitiv und zukunftsorientiert sind. Ich wünsche mir von den Parteien, dass sie endlich auf ihre blinden Flecken in puncto Geschlechtergerechtigkeit schauen. Dass sie ihre Strukturen so (weiter-)entwickeln, dass Frauen vor und vorankommen.

Und uns allen wünsche ich, dass wir nach so einem zappendusteren Wahlsonntag nicht aufhören, uns zu engagieren und einzubringen. Frauen dürfen nicht nachlassen, sich für ihre Grundrechte einzusetzen. Sie sind keine verhandelbare Meinung. Jeder und jede ist hiermit herzlich aufgefordert, alsbald ihre neuen Abgeordneten zu besuchen und klar zu fordern: Geschlechtergerechtigkeit ist kein Sternchenthema. Es ist das Jahr 2017 und das muss als Begründung reichen. Mit wirkmächtiger Lobby von außen können und müssen wir gemeinsam das Licht einschalten.

 

Manuela Rukavina, Jahrgang 1979, ist seit ihrer Jugend in der Frauenpolitik engagiert. Seit drei Jahren ist sie ehrenamtliche Vorsitzende des Landesfrauenrats Baden-Württembergs. In dem Dachverband sind über 50 Frauenverbände mit über 2,5 Millionen Mitgliedern organisiert. Seit zehn Jahren ist sie ehrenamtliche Vorsitzende der verdi-Frauen in Baden-Württemberg. Die Soziologin arbeitet freiberuflich als Coach und Seminarleiterin.


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