Kürzlich las ich in der "Stuttgarter Zeitung" von einem kleinen Luxus, den man sich für 8,70 Euro gönnen kann, als wäre Mittagessen ein Verbrechen gegen den Pietismus. Für dieses Acht-Euro-Almosen gibt es im Grand Café Planie ein Süppchen und dann Tafelspitz mit Bouillonkartoffeln, Wurzelgemüse und Meerrettich. In bester Stuttgarter Innenstadtlage. Nun spricht man über das Geiz-ist-Geil- Phänomen schon nicht mehr, denn dieses ist in der DNA des Deutschen mittlerweile so implantiert, dass nicht mehr darüber nachgedacht werden muss.
Das Zauberwort der schäbigen Sparsamkeit heißt nun Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Medien reiten auf diesem Begriff herum, um ambulante Hilfe zu leisten, für Leute, die sich in Versandhäusern mit Konsumgütern und Ratenzahlungen strangulieren. Fürs Essen bleibt den Betroffenen dann nur noch der Mist, den die Nahrungsmittelindustrie mittels Werbeverführung aufdrängt.
So zeigt sich der Egoismus des Kunden, der auch T-Shirts für Dreifuffzich als Geschenk Gottes ansieht. Mit solchen Preisen werden Arbeiter und Kinder in der dritten Welt geschunden. Die "Dritte Welt" gibt es aber auch bei uns in Deutschland und sie findet in Gasthäusern statt. Der Gastronomiekunde taxiert, was auf dem Teller liegt und denkt vielleicht noch ein bisschen an den Koch, der meist zwangsläufig unterbezahlt ist. Dass der Gast umsorgt wird und das Servicepersonal vielleicht auch eine Familie gründen möchte und sich nicht mit Drittwelttextilien beschmutzen will, das wird gerne verdrängt.
So ist der sehr schöne Beruf des Kellners oder der fachlich geschulten Serviererin auf den Hund gekommen und in der alten, edlen Form gar nicht mehr existent. Diese will auch niemand mehr, denn ein geschulter Kellner agiert schließlich mit seinem Können und ist dem Kunden zwangsläufig überlegen. Jeder miserable Hobbykoch weiß es aber sowieso besser und alles, was irgendwie gekonnt daherkommt, birgt den Keim der Kränkung und wird gerne als arrogant abgewehrt. So kam es zum Dekolleté netter Fräuleins, herzig und lieb, die meist noch von den Gastronomen zur Schmieren-Freundlichkeit angeleitet werden.
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Lutz Mertins
am 15.10.2017