Dabei weiß gerade der CDU-Generalsekretär genau, wie sehr alle Nachbesserungsträume neben der Sache liegen. Der Ehinger Abgeordnete mit den schmalen Sakkos und dem breiten Schwäbisch sitzt selber im Innenausschuss und kann die zusätzliche Anhörung nicht vergessen haben, die zu Strobls erstem Polizeigesetz erzwungen wurde. Der Innenminister glänzte durch Abwesenheit und ließ sich vertreten durch seinen Staatssekretär Martin Jäger. Der ist, als einer der Väter dieses Kompromisses, inzwischen aber wieder reumütig nach Berlin zurückgekehrt. Hagel allerdings war anwesend, als Experten wesentliche Teile des Entwurfes zerpflückten. Der Rechtsanwalt und Wissenschaftler Nikolaos Gazeas von der Uni Köln sah in der "präventiven Telekommunikationsüberwachung teilweise die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten". Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Stefan Brink oder der Präsident des Anwaltsverbands Peter Kothe trugen ebenfalls erhebliche Bedenken vor.
Brink bediente sich sogar eines Begriffs, mit dem Strobl sich selber beschreiben wollte: Man müsse eben gerade "kein Verfassungsästhet sein, um erhebliche Zweifel" zu haben. Nachhelfen könnte den Falken in der eigenen Partei nicht zuletzt Arnulf von Eyb (CDU), der Justizexperte aus dem Hohenlohischen, der bereits vor einem Jahr mahnte, wie "wichtig die Unterscheidung zwischen aktuellen und gespeicherten Daten ist, weil auf die gespeicherten nicht zugegriffen werden darf (...) Das erlaubt unser Grundgesetz nicht". Schlussendlich musste sich der selbsternannte Verfassungsästhet im Spätherbst 2017 der eigenen CDU-Fraktion beugen. Ihr Polizeiexperte Thomas Blenke erinnerte bei der Verabschiedung des überarbeiteten Entwurfs daran, dass das schärfste Gesetz in der Bundesrepublik in Aussicht gestellt worden war: "Wir wollen nicht das schärfste, wir wollen das beste." Und als ebensolches lobte es der Innenminister sogar selber: "Das ist ein wichtiger Tag für die innere Sicherheit in unserem Land (...) Ende gut, alles gut."
Reichlich Konfliktpotenzial für die zweite Hälfte der Legislaturperiode
Mitnichten. Besonders unverständlich ist der jetzt geplante offene Wortbruch. Denn andere Bundesländer haben inzwischen Beispiele dafür geliefert, was ganz bestimmt nicht oder zumindest mit größter Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist. In Niedersachsen sind die Beratungen des neuen Polizeigesetzes wegen einschlägiger verfassungsrechtlicher Bedenken vor der Sommerpause gänzlich ausgesetzt worden. Vorgeprescht ist dagegen die CSU in Bayern, indem sie noch alleinregierend vor der Landtagswahl Regelungen erließ, die laut Heribert Prantl in der "Süddeutschen" aus der Polizei eine "Darf-fast-alles-Behörde" machen. Mit der ist inzwischen das Bundesverfassungsgericht befasst. Unter anderen haben der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar, der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt und der Grünen-Politiker Konstantin von Notz Beschwerde gegen die Nutzung von Staatstrojanern eingelegt.
3 Kommentare verfügbar
wolfgang fubel
am 04.11.2018Systematisch untergraben wird und statt dessen Angst gesäht wird ,ist langfristig gesehen
den Untergang geweiht. dazu kommt noch das Systematische schleifen einer schon stark
angegriffenen Demokratie und das aushöhlen…