Indizien dafür, dass die Digitalisierungsfreaks im Land mit Ella zu weit springen wollten, gibt es inzwischen zuhauf. Zum Beispiel rund um die versprochene "Zwei-Faktor-Authentifizierung", die alle Daten, basierend "auf deutschen und europäischen Sicherheitsstandards und den Vorgaben des baden-württembergischen Datenschutzrechts, vor unbefugten Zugriffen sichert, SchülerInnen-gerecht zu gestalten", wie es in der Ella-Beschreibung heißt. Seit Kultusministerin Susanne Eisenmann die Testphase an hundert Schulen drei Tage vor dem Start stoppte, kursieren immer neue Details. So wurde auf beim Online-Banking zwar übliche, aber längst nicht mehr fortschrittliche TAN-Systeme zurückgegriffen. "Fortschrittlich geht anders und praxisbezogen auch", zitierte die "Stuttgarter Zeitung" eine Rektorin. Andere spotteten über den "Rohrkrepierer". Jedenfalls hat Eisenmann die Reißleine gezogen, ein Gutachten in Auftrag gegeben und inzwischen schwarz auf weiß, dass Frau Müller und Herr Schmid und all die anderen noch warten müssen auf die Erfüllung ihrer Träume.
FDP verlangt eigenes Ministerium für Digitalisierung
Die Zeit drängt. Weil die Hälfte der Legislaturperiode bald herum ist und die Bildungsplattform – siehe "Pionierarbeit" – zum mit fast 30 Millionen Euro ausgestatteten Leuchtturm von Strobls Digitalisierungsstrategie werden sollte. Nicht nur FDP-Bildungsexperte Timm Kern verlangt nach einem "eigenständigen Digitalisierungsministerium" und tritt dem zuständigen Innenminister gegen das Schienbein: "Weil wir uns in diesem entscheidenden Zukunftsthema für unser Land keine Zweitklassigkeit erlauben können." Grüne und CDU hatte sich in ihrem Bemühen um eine austarierte koalitionäre Machtbalance auf eben dieses neue Ressort nicht einigen können, also pflegen nahezu alle Häuser ihre digitalen Vorgärten.
Und die werden – die einschlägig interessierte Netzgemeinde feixt bereit gehörig – Anfang Juli in Heidelberg beim "Festival für digitale Bildung" präsentiert werden. Mit viel Tamtam und dem inzwischen auch unter Grünen üblichen Eigenlob für Baden-Württemberg. "Unter dem Motto Bildung ist Zukunft und Zukunft ist digital wollen wir gemeinsam mit Ihnen einen aktuellen Blick auf Potentiale digitaler Technologien für unsere vielfältige Bildungslandschaft werfen", heißt es in der Einladung, in der "ein Update für ein zeitgemäßes Bildungsverständnis", versprochen wird, "made in Baden-Württemberg!". Eisenmann will erreichen, dass bis zu dem dreitägigen Kongress wenigstens eine Entscheidung gefallen ist: Ob die beauftragten Dienstleister und Subunternehmen, unter Führung der zuständigen Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW), an Ella weiterarbeiten, oder ob der Auftrag entzogen wird, weil ein Neustart von Nöten ist.
So oder so brauchen die beteiligten ExpertInnen, die alten oder die neuen, Zeit. Ausgerechnet Stefan Krebs, der schon unter Grün-Rot berufene Ministerialdirektor im Innenministerium nahm kürzlich im Schulausschuss kein Blatt vor den Mund. Der BITBW-Oberaufseher, gerne "Chief Information Officer" (CIO) genannt, gab frank und frei zu, eigentlich eine deutlich längere Frist für Ellas Einführung einkalkuliert zu haben. Denn: Beim Entwickeln einer neuen Software müsse man "gemeinsam schlauer werden". Da kann man nur gutes Gelingen wünschen, wenigstens im zweiten Anlauf.
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Gisela Heinzmann
am 21.06.2018